Über Alle Grenzen
lachten sie sehr. Meine Mitfahrer kletterten schnell auf den Lastwagen und die anderen überfüllten Jeeps. Sie wollten den Unfallwagen zurücklassen, obwohl sie wussten, dass er noch am selben Tag, in Einzelteile zerlegt, verschwinden würde. Mir gefiel das nicht. Also banden wir mit Karmapas Erlaubnis den Landrover vor den Lastwagen, der ihn dann bremsen sollte. Zweimal riss das Seil, das zu viele Regenzeiten mitgemacht hatte, und ich musste in zwei weiteren Kieshaufen bremsen, bis wir ein Stahlseil fanden. Den Rest der Strecke nach Kathmandu hatte dann der Lastwagen hinter mir die Unfälle.
Die heilige Swayambhu-Stupa
Dort betrat ich im großen Tempel von Swayambhu in einem geschichtsträchtigen Augenblick Karmapas Raum. Der erste weiße Tulku sollte soeben anerkannt werden. In Ländern mit gutem Karma und viel Freiheit leben viele solcher bewusst Wiedergeborener, und wer seinen Körper als Werkzeug sieht, um anderen zu nutzen, ist bereits auf dieser Ebene. Mehrere sind offensichtlich unter meinen Schülern und entwickeln sich schnell. Die Tibeter erkennen jedoch solche Wiedergeburten selten und nur dann an, wenn sie das gesamte Ausbildungssystem durchlaufen. Lehrer wie der Karmapa, die frühere Lebenszeiten der Wesen klar sehen, geben ihnen oft wichtige und besondere Aufgaben. Hier war aber die erste weiße Wiedergeburt, die durch die gesamte tibetische Lehrmühle laufen sollte. Wir hatten seine Eltern in Hippiezeiten kennen gelernt, und später wurden die Einzelheiten seiner Entdeckung von Freunden in den USA bestätigt.
Sangye Nyempa Rinpoche
Uns wurde die Geschichte folgendermaßen erzählt: Als Karmapa 1974 in den USA war, lud ihn ein kleiner, friedlicher Indianerstamm in die Südwest-Staaten ein. Es waren die leider nicht vom Alkohol trockengelegten Hopis. In einigen ihrer Prophezeiungen stand geschrieben, dass ihre Brüder in roten Kleidern kommen würden, wenn die Dinge sehr schlecht gingen. Sie glaubten, dies seien die Tibeter. Als Karmapa und sein Gefolge ankamen, herrschte schon mehrere Monate Dürre, und sie fragten ihn: “Kann ein so heiliger Mann wie du Regen für uns machen?” Karmapa antwortete: “Ich werde es im Geist halten.” Er gab den Indianern die Einweihung in die rote stehende Form von Liebevolle Augen und einen starken Segen. Währenddessen zogen sich am Horizont die Wolken zusammen, und als Karmapa die Autotür zuschlug und die Tibeter abfuhren, fielen die ersten Tropfen.
Auf den Titelseiten der Lokalzeitungen in New Mexico war am nächsten Tag zu lesen: “Karmapa Makes Rain in Hopi-Land”. Später fiel eine Ausgabe dieser Zeitung in die Hände von Hettie und Angus in Kathmandu, und sie schrieben an Karmapa nach Sikkim, ob das wahr sei. Ihr Sohn war nordöstlich von New York geboren worden, und einige Jahre danach spürten sie plötzlich den inneren Drang, nach Nepal zu reisen. Am Swayambhu-Tempel Karmapas angekommen, versuchte ihr Kind zu ihrem Erstaunen, die Treppen zum Kloster hochzuklettern und sagte: “My monastery, my monastery!” Zuerst nahmen sie an, er habe das von den kleinen Mönchen gelernt. Diese sprachen aber kein Englisch. Karmapas Antwort auf ihren Brief traf den Kern: “Das Kind ist die Wiedergeburt eines früheren Lehrers. Bleibt, wo ihr seid, ich werde bald kommen.”
Im heiligen Swayambhu-Tempel
Nachdem ich den Landrover in einer Werkstatt abgeliefert hatte, ging ich zu Karmapa. Auf dem Tisch lagen zwei Karten. Eine davon war alt und vergilbt. Sie enthielt Karmapas Bericht über Zeit und Ort der Geburt des Kindes. Daneben lag eine Karte von Massachusetts. Flüsse, Berge und andere Landschaftsmerkmale stimmten überein. Als Karmapa damals die Karte zeichnete, fragten seine Leute, ob sie losfahren und das Kind holen sollten. Nachdem sie Tibet verlassen hatten, fand er häufig Wiedergeburten in Bhutan und anderswo im Himalaya. Aber Karmapa sagte: “Dieser hier wird von selbst kommen.” Jetzt saß er da, strohblond und blauäugig, und sah wie ein kleiner Soldat aus. Er war die Ausstrahlung des Rede-Zentrums des großen Sangye Nyenpa Rinpoche, dessen erste Inkarnation der Lehrer des 8. Karmapa gewesen war.
Die Einweihungsreihe im neuen Tempel bei Bodhnath war aus einer anderen Welt. Karmapa gab den “Schatz der Kagyü-Mantras”, die Übertragungen, die Marpa vor 1.000 Jahren nach Tibet gebracht hatte. Vor etwa 150 Jahren waren diese Einweihungen von Lodrö Thaye gesammelt worden, der früheren Inkarnation Jamgön Kongtrul Rinpoches. Alle waren
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