Über Alle Grenzen
Machtzentrale für Europa zu werden, und die Franzosen waren nun so zornig auf ihn, dass sie seinen Besuch verboten. Also schickte Karmapa ihn und seine Mönche zu seiner Hauptstelle in die Dordogne. Er selbst, Jamgön Kongtrul Rinpoche und ein paar Begleiter fuhren für drei Wochen mit Hannah und mir in unserem uralten VW durch die südfranzösischen Zentren.
Mit Lama Jigmela
Bei jedem Besuch wurde offensichtlicher, dass die Franzosen sich an Kalu Rinpoches Kloster in Sonada orientierten und nicht an Rumtek. Sie wurden immer kirchenähnlicher und bürgerlicher. Ich wollte nicht einmal die Möglichkeit einer Spaltung in Betracht ziehen, aber es war seltsam, die Scheinoffenheit vieler Franzosen Karmapa gegenüber zu beobachten. Irgendwie erwarteten sie, seine einfachen und klaren Worte noch näher erläutert zu bekommen. Geldsorgen hatten die Zentren jedoch nicht. Die Männerrolle der romanischen Kultur erlaubt geistige Interessen, und deswegen gab es gute Unterstützer. Was ihnen fehlte, waren vor allem der “Flash” und die grenzenlosen Möglichkeiten, die man erfährt, wenn man sich unmittelbar auf Karmapas Kraft bezieht.
Hannah übersetzt in der Dordogne
Was ungewöhnliche Typen betrifft, schlug die Riviera fast Kalifornien. Erst besuchten wir ein Waldstück, wo ein selbst ernannter belgischer Lama seine Schüler vollständig bevormundete. Nach Nizza folgten wir einer Einladung von “Mandar-Om”, einem Verein von Kahlköpfen. Sie sangen vor und nach jedem Satz “Om” und hatten einen ganzen Berghang mit Pappmaché-Tieren in Überlebensgröße bedeckt. Ihr Leiter erhielt später in Cannes Karmapas Segen, und ich gab ihm die 16. Karmapa-Meditation, die er hoffentlich nicht abänderte.
Eine andere Gruppe war weniger auffallend, dafür umso hochmütiger: Schüler des allgemein bekannten Bhagwan Shree Rajneesh. Dieser hatte gerade ein Buch mit ein paar bescheidenen Behauptungen herausgegeben, die neu für uns waren, zum Beispiel, dass Karmapa ihn zum größten Bodhisattva aller Zeiten ernannt habe. Er, der Bhagwan, sei der Mann, der das buddhistische Tantra in den Westen bringen solle. Karmapa, der ihn gar nicht kannte, war so diplomatisch wie möglich, aber zufrieden waren Bhagwans Schüler mit seinen Antworten nicht. Wieder einmal schüttelte ich den Kopf über die bodenlose Einfalt vieler Menschen auf geistigem Gebiet. Es war erschütternd, wie liebend gern sie sowohl Kritikfähigkeit als auch klaren Verstand aufgaben.
In Nizza wohnten Karmapa und Jamgön Kongtrul Rinpoche in einem schönen Hotel am Strand. Hannah und ich tauschten Erinnerungen mit den Lamas aus, die seit Kalu Rinpoches Besuch in Frankreich geblieben waren. In St. Tropez wartete ein weiterer, sehr reicher Anhänger des Rolls-Royce-Gurus Rajneesh. Er wollte den Tibetern einige Tage im Überfluss schenken. Wir fragten uns, wie er wohl so reich geworden war, und erhielten sofort eine Antwort. Das Mittagessen, zu dem er uns eingeladen hatte, durften wir selbst bezahlen. Danach kauften wir unseren Verzehr wieder im Supermarkt. Mehr feine Einladungen dieser Art konnten wir uns nicht leisten. Karmapa entschied schon auf der ersten Yachtfahrt, dass er anderswo nützlicher sein konnte, und brach den Besuch vorzeitig ab.
Nach drei Wochen in Karmapas Nähe erreichten wir seinen französischen Hauptsitz. Dort waren große Einweihungen vorbereitet worden.
Die Dordogne ist eindrucksvoll: Knorrige Eichen, rotbraune Kalkberge und wunderbar kurvige Straßen - ein Genuss für den, der fahren kann - prägen diese uralte Landschaft. Mr. Benson hatte dort unserer Linie ein großartiges Geschenk versprochen, aber als schließlich alle versammelt waren, fehlte er. Bevor jedoch die Einweihung in Höchste Freude und die Segnung der Stelle geschehen konnte, musste die Übergabe geregelt sein, und dafür brauchten wir ihn. Alles, was wir hatten, war eine Telefonnummer von einem seiner Freunde in New York. Trotz der schwachen Fährte flog Jytte Marstrand hinüber und spürte ihn tatsächlich auf Hawaii auf. “Wir weihen jetzt die Stelle ein”, sagte sie, “und du kannst selbst bestimmen, ob du dabei sein willst oder nicht.” Das wirkte, und bei den späteren Reden vergaß ich nicht, die Großzügigkeit eines Mannes zu rühmen, der elf Kinder hatte und dennoch der Lehre etwas so Kostbares schenkte. Schon damals waren die hellen Köpfe der Dänen und Deutschen in der Überzahl, ein gutes Zeichen, dass die Stelle eine weitreichende Wirkung ausüben würde.
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