Über Alle Grenzen
geschieht. Es war eine Freude, auf die zwischen Akong Tulku und Lama Chime aufgeteilte Insel zurückzukehren und Karmapa sagen zu können, dass sich wenigstens in Deutschland alle einig waren.
Die Begegnung in den riesigen Hallen der ehrwürdigen “Buddhist Society” in London war beeindruckend. Viele buddhistische Überlieferungen waren vertreten, und wir genossen sowohl den Reichtum der Lehre als auch Karmapas Geschmeidigkeit. Nachdem Christmas Humphreys, der Vorsitzende des Vereins und Verfasser mehrerer Bücher, einen Vortrag über das Leiden und das Übel in der Welt gehalten hatte, setzte Karmapa diese Rede unmittelbar fort. Er erklärte die grundlegende Reinheit und Buddhanatur aller Dinge, die Einheit von Samsara und Nirvana, und verdeutlichte den Zuhörern, dass diese Vollkommenheit hier und jetzt zutage tritt, sobald die Schleier unseres Geistes entfernt werden. Dies stand keineswegs im Gegensatz zu den Worten seines Vorredners, sondern war eine gelungene Ergänzung. Beim anschließenden Mittagessen unterhielten sich alle fröhlich miteinander.
Dann fuhr der Bus weiter nach “Samye Ling”. Dort sollte Karmapa Weihnachten verbringen. Gleich nach seiner Ankunft bat er einige Leute aus dem Kloster, zu einem nahe gelegenen Hof zu fahren. Sie sollten eine Dachbodenluke öffnen, da dort drei große Vögel gefangen wären. Obwohl er niemals zuvor diesen verlassenen Hof gesehen hatte, gab er eine genaue Beschreibung davon. Sie befreiten eine Eule und zwei Krähen, die sonst sicherlich verhungert wären. Da er Ähnliches schon einige Male in Frankreich gemacht hatte, wunderte sich niemand mehr darüber.
Kurz vor Weihnachten drückte uns Karmapa einige Pfundnoten in die Hand. Er sagte: “Fahrt nach Irland und startet dort die Lehre.” Mit Zug und Fähre erreichten wir Dublin. Das Land war vertraut und fremd zugleich, und wir wohnten sowohl fürstlich auf einem Herrensitz als auch im armen Stadtviertel. Durch Vorträge vor allem in Hotels entstand eine feste Gruppe, die sich danach für einige Jahre traf. Obwohl die Iren wie die Polen und Spanier ein katholisches Volk sind, war der Sprung von der allgemeinen Bewusstseinsebene der Bevölkerung zum Buddhismus weit größer. Diejenigen, die meditieren wollten, waren sich ihrer Sache jedoch sicher. Da viele “Kirche” wollten und es jedes Mal teuer war, mich einzuladen, empfahl ich ihnen nach einigen Jahren, sich den englischen Zentren anzuschließen.
Neujahr 1978 feierten wir in Wales. Ein Pferdekenner und Schüler von Trungpa Rinpoche schenkte Karmapa den oberen Teil eines schönen Berges. Danach flogen wir von London nach Athen, wo Hannah wieder für Karmapa übersetzte und ihm als Sekretärin half. Barbara Pettee, frisch aus Kalifornien eingetroffen, kam auch dorthin. Sie hatte das westliche Drittel der USA in der Hand und war mit Karmapa auf der ergebnislosen Fahrt zu den Hopi-Indianern gewesen. Als sie bei einer meiner Belehrungen zuhörte, wurde sie von dem “westlichen” Lehrstil und der Kraft der Übertragung ergriffen. Sie bestand darauf, dass ich ein Tulku sei und öfter in den USA unterrichten solle, was Karmapa sofort aufgriff und danach immer wieder bestätigte: “Du musst jedes Jahr hinüber fliegen, in meinen Zentren unterrichten und neue Gruppen starten. Versprich mir das.”
Im alten Zentrum Athens gab es wenig Platz. Ein großer Teil des Nutzraums im stattlichen Gebäude war von Pfeilern ausgefüllt, und obwohl es in der Stadtmitte lag, konnten wir wenig damit anfangen. Die Zeit in Griechenland, in der noch jeder gut über den anderen redete, endete kurz danach. Die Gebräuche des Nahen Ostens liegen dort nicht weit unter der Oberfläche, aber wer sein Vertrauen hielt wie die Manganaris-Familie und andere nahe Freunde, entwickelte sich schnell weiter.
Diamantgeist
Ein paar Dutzend Dänen waren angekommen, von meiner liebevollen Energiebombe von Mutter auf Trab gehalten. Während einer Einweihung in Diamantgeist hatte sie das erfahren, was ich aus meinem tiefsten Herzen jedem wünsche. Hannah und ich hatten es schon bei unserer ersten Begegnung mit Karmapa erlebt: Sie sah seinen Freudenzustand . Mit starren Augen zeigte sie auf ihn und rief: “Er leuchtet ja, er leuchtet ja!” Sie war mehrere Stunden danach noch ganz weg und vergaß nie das goldene Licht, das sie gesehen hatte.
Nach sechs fruchtbaren Monaten in Europa machte Karmapa einen letzten Halt in Paris, wo seine Vögel und Berge von Geschenken warteten. Von dort flog er
Weitere Kostenlose Bücher