Über Alle Grenzen

Rödby über die Vorbereitenden Übungen. Hundert Teilnehmer, meistens Deutsche und Polen, kamen, und da der Kurs so gut lief, leite ich inzwischen jährlich zwei Dutzend Meditationskurse rund um die Welt, meistens um das Bewusste Sterben zu lehren. Carol kam zu der Zeit aus Kalifornien an, und so begann die englische Übersetzung von “Die Buddhas vom Dach der Welt”, die “Entering the Diamond Way” heißen sollte.
    Später in diesem heißen Sommer gab der Dalai Lama eine große Rad der Zeit-Einweihung bei Rikon in der Schweiz. Wir schickten unsere Kagyü-Horden hin, vor allem, um die tibetische Sache zu unterstützen, denn die meisten hatten die Einweihung bereits von Kalu Rinpoche oder Tenga Rinpoche erhalten. Der Einweihung konnte man kaum folgen, die Übersetzung war viel zu abgehoben. Selbst Carol, Professorin in Amerika, kannte die Hälfte der Worte nicht, die der Übersetzer zur Beschreibung des Kraftkreises hervorbrachte.
    Wirklich kraftvoll war eine Guru-Rinpoche-Einweihung, die der Dalai Lama zuvor gegeben hatte. Dabei musste er sich fast bei den Anwesenden entschuldigen, die meistens dem Gelugpa-Weg “der Tugend” folgten. Nur wenige von ihnen schätzen den Kulturhelden Guru Rinpoche, weil er so viele Damen hatte.

    Nach einer durchfahrenen Nacht empfingen wir Künzig Shamarpa am Pariser Flughafen. Zusammen ging es weiter nach “Vajradhara-Ling”, einer Zurückziehungsstelle Kalu Rinpoches in der Normandie. Unser Audi fraß die kleinen Straßen dort mit größtem Vergnügen. Man erkennt noch heute den Baustil der Wikinger an den Bauernhäusern. Die Menschen sind größer und heller als sonst im Land.
    Shamarpa gab das Bodhisattva-Versprechen. Ich änderte mein Alkohol-Versprechen von “überhaupt keinen Alkohol”, was ich seit 1971 gehalten hatte, auf “keinen berauschten Zustand”. Ich versprach mir davon eine Erweiterung meiner sozialen Spannweite, was teilweise zutraf, sonst arbeite ich die ganze Zeit. - Neben den Freudenzuständen, die ich ständig erlebe, ist Alkohol sowieso nur ein Genuss auf der Ebene des Geschmacks. Die chemische Wirkung ist eher verschleiernd und an sich reine Zeitverschwendung.

    Ein nahes Band

    Vom Nordwesten Frankreichs fuhren Hannah und ich die windige Küstenstraße entlang, wir kannten sie beide aus früheren Fahrten mit unseren Eltern. Hannah blieb bei Künzig Shamarpa in der Dordogne, ich hatte weiter östlich zu tun. In München traf ich nach zwanzig Jahren meine alte Freundin Susanne wieder. Die “interessante Rothaarige” (siehe “Die Buddhas vom Dach der Welt”) war nun auch offen für die buddhistische Zuflucht, und wir feierten das Wiedersehen mit einer gemeinsamen Fahrt durch den Süden Deutschlands. Im bayerischen Füssen sollte ich auf Wunsch Tenga Rinpoches die Abendvorträge im Sommercamp halten. Er selbst unterrichtete vormittags, Lama Chime nachmittags. Tenga Rinpoche war wie immer ein Meer von Liebe, aber man konnte schwer behaupten, dass die Kursteilnehmer während der folgenden Wochen viele der milderen buddhistischen Tugenden zeigten. Die Schüler Lama Chimes und die meinen wurden immer saurer aufeinander. Sie waren einfach zu verschieden. Nichts verband meine früheren Krawallmacher und Lama Chimes Bhagwanesen und Blumenkinder. Noch dazu war ich der Meinung, dass Lama Chime die Arbeit Karmapas verwässerte, und er fand, dass ich verbissen und humorlos sei. Die Planung oblag der alten Gruppe aus München, die immer noch Ayang Tulkus Vertreter einlud. Es ist also nicht schwer, sich vorzustellen, welche Reinigungen die eine heile Welt suchenden Buddhisten Deutschlands hier durchmachten. Jäh aus ihren rosigen geistigen Wolken heruntergeholt, mussten sie sich entscheiden, worauf sie vertrauen wollten.
    Ich holte Hannah in der Dordogne ab, wo sie abwechselnd übersetzte und bei den Franzosen meine Arbeit als “Dharma-General” erklärte. Karmapa hatte diesen Titel so regelmäßig verwendet, weil das genau die Arbeit war, die er von mir erwartete. Wer sonst würde mit den Egos, die die Wege versperrten, so schnell fertig werden?
    Hannahs Ticket lag in Amsterdam bereit. Sie wurde schon in Malaysia erwartet, wo Gyaltsab Rinpoches Programm von ihr abhing. Ich stieg gerade ins Auto, als ihr Flugzeug über den Parkplatz flog. Niedrig, schwer und mit riesigem Lärm bewegte es sich langsam über unsere Köpfe hinweg, und ich wusste, dass sie in guten Händen war. Schwarzer Mantel reiste mit ihr.

    Während der nächsten Jahre, als eine neue und