Über Boxen
vornherein festgelegt: Er hat keine. Er verdient seinen Lebensunterhalt als menschlicher Sandsack.
Solche Gegner kennt man unter der Bezeichnung «Pflaume» oder «Fallobst» – wie in Joe Louis’ «Fallobst-des-Monats»-Kämpfen, nachdem Louis alle ernst zu nehmenden Gegner aus der Schwergewichtsklasse eliminiert hatte.
Die höchstbezahlten Athleten der Welt sind amerikanische Boxer, aber daraus darf man nicht schließen, dass Boxer allgemein die höchstbezahlten Athleten seien. Das Gegenteil ist der Fall. Wer arm ist, prostituiert sich, und zwar auf jede Art und Weise, die ihm offensteht, und der Boxsport bietet auf seinem niedrigsten Niveau die Möglichkeit, irgendwie einen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn ein Boxer Glück hat und nicht verletzt wird, verdient er beim Boxen besser als in den meisten Jobs, die er als unausgebildeter Hilfsarbeiter in unserer spätindustriellen Gesellschaft bekommen kann. (Nachdem Michael Spinks eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen hatte, hörte er mit dem Boxen auf und putzte in einer Chemiefabrik in St. Louis. Aber die Arbeitsbedingungen dort waren so schlecht, dass er zum Boxen zurückkehrte; zwangsläufig, wie er sagte: «Diese Chemikalien hätten mich schneller umgebracht als das Boxen.») Auf der untersten Ebene zu boxen, auf der Sicherheit nichts gilt – in Atlantic City zum Beispiel, wo es keine strikten Regeln gibt wie in New York –, ist unter diesen Umständen sehr verführerisch. Die Spitze der Pyramide ist schmal, die Basis ist breit, und sie reicht bis in den anonymen menschlichen Untergrund.
Die Zeitschrift «The Ring» , die Bibel des Boxens, veröffentlicht in jeder Ausgabe die Ergebnisse von über tausend Boxkämpfen. Selbst diese rangverschiedenen und überschätzten Boxer bilden nur einen kleinen Bruchteil all derer, die eine Boxlizenz haben und in den Vereinigten Staaten und anderswo boxen dürfen. «The Ring Record Book» vermerkt zum Beispiel Boxer wie Johnny D. (der sechzehn Kämpfe hintereinander verloren hat, zwölf davon durch K . o.), Marcus D. (der nur seinen ersten Kampf, der Jahre zurückliegt, gewann und jeden folgenden verlor), Obie G. (der neunmal kämpfte und neunmal k . o. geschlagen wurde), Irving B. (der siebenmal kämpfte und siebenmal k . o. geschlagen wurde, stets in der ersten oder zweiten Runde). Solche professionellen «Fallobst»-Gegner erklären die untadeligen Karrieren der anderen – denn selbstverständlich können die Aufsteiger mit ihren klaren Siegen und null Niederlagen nicht gegeneinander gekämpft haben.
(In den Zwanzigerjahren, als Boxen in New York offiziell verboten war, fanden Boxkämpfe ohne Ringrichter in Privatclubs statt, ähnlich denen, die verbotenerweise Alkohol ausschenkten. Budd Schulberg 13 schreibt, dass in den Jahren, in denen Boxen gesetzeswidrig war, in New York wesentlich mehr Boxkämpfe stattfanden als heute: Jeder Bezirk hatte seine Clubs, es gab jede Nacht Kämpfe, Boxer aller Gewichtsklassen, Altersklassen, mit und ohne Erfahrung, gut oder schlecht, wurden willkürlich einander gegenübergestellt, und wenn der Ausgang tödlich war, warf man den Leichnam eben ohne Ausweispapiere irgendwo in den Fluss.)
Mit Unterstützung von Managern und Promotern kämpfen Boxer dieser Klasse unter mehreren Namen, und trotz der strikten Regeln, die heutzutage gelten (in New York und Pennsylvania zum Beispiel ist ein Boxer, der k . o. geschlagen wurde, für neunzig Tage gesperrt; in New Jersey für sechzig Tage), ist es extrem schwierig, jemanden daran zu hindern, sich selbst Schaden zuzufügen. Das verzweifelte Bemühen, zu Geld oder einfach zu «Ruhm» zu kommen, lässt sich nicht regulieren. Man identifiziert sich nicht mit der endlosen Masse der Verlierer, sondern mit den wenigen Stars. Das ist wie in jedem anderen Beruf, in dem der Einzelne durch einen eisernen Willen zu Ansehen gelangen kann. Wie ein Trainer von «Fallobst», vielleicht nicht einmal zynisch, meinte: «Neue gibt es jeden Tag.»
Wenn du kämpfst, kämpfst du nur für eines: für Geld.
Jack Dempsey, ehemaliger Weltmeister im Schwergewicht
Dass Boxen die umstrittenste Sportart in Amerika ist, immer in Gefahr, von der Bühne zu verschwinden, hat nichts daran geändert, dass es ein Millionengeschäft ist.
In den letzten Jahren waren die drei höchstbezahlten Athleten der Welt amerikanische Boxer. (1985 verdiente Larry Holmes etwas mehr als sechseinhalb Millionen Dollar im Jahr; Marvin Hagler etwas mehr als fünf Millionen
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