Über Boxen
kämpfte man dann im Stehen und schützte die Fäuste mit Lederriemen; danach kamen Lederriemen mit scharfen Metallspitzen in Mode, der caestus . Eine Art Ring, vermutlich ein Kreis, wurde zum neutralen Platz, an den sich ein verletzter Boxer kurzfristig zurückziehen konnte. Als die Römer den Sport weiterentwickelten, wurde er außerordentlich populär: Ein legendärer caestus -Champion soll 1425 Gegner getötet haben. Siegreiche Gladiatoren waren berühmt, sie waren die «Könige der Athleten», Volkshelden. Während sie die blutige Sterblichkeit des normalen Menschen vor aller Augen offenlegten, sicherten sie für sich selbst, wie alle Champions, eine Art Unsterblichkeit.
So geschah in Rom und Griechenland, was überall geschieht, wenn eine Gesellschaft reich wird und sich fortschrittlich gebärdet: Das Interesse an bestimmten Sportarten wächst, wird fanatischer. Jede Zivilisation neigt dazu, zu den eigenen Ursprüngen zurückzukehren – man kann sich fragen, ob natürlicherweise oder aus Hilflosigkeit –, sich wie die mythische Schlange in den eigenen Schwanz zu beißen und sich mit leidenschaftlicher Überzeugung erneut unter die Insignien der «Barbarei» zu begeben. Es ist denkbar, dass emotional ausgelaugte Menschen immer stärkere Erschütterungen brauchen, um sich Erregung zu verschaffen, aber vielleicht verhält es sich auch so, dass das Verlangen nicht nur auf Nachahmung zielt, sondern darauf, wie durch Zauberei wirklich zu einem Tier, primitiv, instinkthaft und das heißt unschuldig zu werden: ein Wesen, für das der Kampf kein bloßes selbstzerstörerisches Spiel, sondern das Leben selbst sein könnte; und die Welt kein Ort spektakulären und unwiderruflichen Untergangs, sondern neu, frisch, lebendig, abwechselnd Entsetzen und Entzücken erregend, ein Ort der Wunder. Es sind die eigenen Ursprünge, nach denen wir uns – wenn auch vergeblich – zurücksehnen wie nach den bruchstückhaften Träumen unserer Kindheit. Wir bekommen sie niemals zu fassen, würden sie deshalb jedoch niemals aufgeben oder gering schätzen.
Die christlichen Kaiser Konstantin und Theoderich 16 verboten die Gladiatorenkämpfe, und damit endet ihre Geschichte. Boxen, wie wir es heute kennen, geht auf den englischen Bare-knuckle -Kampf (Kampf mit bloßen Fäusten) aus dem achtzehnten Jahrhundert zurück, der von einer vollständig anderen Konzeption von Sport ausgeht.
Der erste Bericht über einen solchen Bare-knuckle -Kampf in England – zwischen dem «Lakaien eines Adligen und einem Metzger» – stammt aus dem Jahr 1681 und erschien in der Zeitschrift «London Protestant Mercury». Diese Kampfart, in der es nicht darauf ankam, den Gegner zu verletzen oder zu töten, war bekannt als Prize Fight (Preiskampf) oder Prize Ring (Preis-Ring) und war eine Art Publikumsbelustigung, die von Ort zu Ort zog, sich zum Beispiel häufig auf Märkten fand. Der Prize Ring war der freie Platz, um den sich ein Kreis von Zuschauern bildete. Die Zuschauer hielten ein Seil in den Händen. Der Prize Fight war ein auf freiwilliger Basis beruhender Wettkampf zwischen zwei Männern, normalerweise einem «Verteidiger» und einem «Herausforderer». Es gab keinen Ringrichter, aber rudimentäre Regeln des Fair Play. Ein Kämpfer und seine Komplizen forderten die Zuschauer zum Kampf heraus; wenn einer aus der Menge die Herausforderung annahm, warf er seinen Hut in den Ring – daher die Redensart in der Politik mit ihrem kriegerischen Unterton –, und der Kampf begann. Normalerweise wurden Wetten abgeschlossen, welcher der Kämpfer den anderen zuerst zu Boden schlagen würde oder welcher zuerst bluten würde. Unsportliches Kämpfen wurde von den Zuschauern unterbunden, die Kämpfer schüttelten sich nach dem Kampf die Hand. The Noble Art (die vornehme Kunst), wie der Prize Fight genannt wurde, begann als bescheidene Unterhaltung, wurde aber bald von sportbegeisterten Mitgliedern der Aristokratie und der bürgerlichen Oberschicht enthusiastisch gefördert.
Der erste Bare-knuckle -Champion in England war ein Mann namens James Figg, der 1719 diesen Titel gewann. Der letzte war der amerikanische Schwergewichtler John L. Sullivan, dessen Karriere, die von zirka 1882 bis 1892 dauerte, noch beide Sporttypen enthielt: Bare-knuckle -Kampf und Boxen mit Handschuhen, wie es sich dann nach den Regeln des Marquess of Queensberry 17 durchsetzte, die, mit einigen Erweiterungen, bis zum heutigen Tag gelten. Die größten Veränderungen waren die
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