Über Boxen
ist ein Mann, sobald er einen Sport betreibt, ein anderer als sonst?
Erinnern wir uns an die Geschichte der Gladiatorenkämpfe, wie sie bei den Römern ab 265 vor Christus bis zum Verbot unter Theoderich, 500 nach Christus, stattfanden. In der Alten Welt, unter halbzivilisierten Völkern, war es üblich, nach einem Krieg eine bestimmte Anzahl von Kriegsgefangenen zu Ehren der gefallenen Feldherren zu töten. Es wurde auch Brauch, bei den Begräbnissen bedeutender Persönlichkeiten Sklaven zu opfern. Zu welchem Zweck aber? Zum Vergnügen? Aus «sportlichen» Gründen? Man rüstete die zum Tode verurteilten Sklaven mit Waffen aus, und sie wurden gezwungen, sich gegen Männer zu verteidigen und diese zu töten, die ihrerseits den Befehl hatten, sie umzubringen. Aus diesen brutalen Opferriten entwickelte sich langsam etwas, was einer Art sportlichem Wettbewerb ähnelte, und daraus entstanden allmählich die römischen Gladiatorenkämpfe – Tod als Massenamüsement. Es gibt in der Geschichte sicherlich nichts Vergleichbares.
Zu Beginn wurden die Wettkämpfe neben den Scheiterhaufen oder in der Nähe der Grabstätten abgehalten, aber im Lauf der Zeit spaltete sich das Interesse an den Kämpfen von seinem religiösen Kontext ab, und die Kämpfe fanden im Forum statt, dann im Circus und später in den Amphitheatern. Es entwickelten sich Unternehmen, die die Sklaven trainierten, Männer von Rang und politischer Bedeutung begannen, sich Gladiatoren zu «halten», Gladiatorenkämpfe wurden angekündigt und beworben wie Boxkämpfe in unseren Tagen. «Shows», die an die drei Tage dauern konnten, wurden immer häufiger und immer populärer. Was die Zuschauer erregte, war nicht das Hinschlachten hilfloser Menschen, sondern der «sportliche» Wettbewerb; denn obwohl der Drang zu kämpfen und zu töten sicher vom persönlichen Mut eines Menschen abhängt, so scheint der Drang, anderen dabei zuzuschauen, wie sie miteinander kämpfen und sich gegenseitig töten, ein angeborener Instinkt zu sein. Wenn ein Fan beim Boxkampf schreit: «Bring ihn um!», verhält er sich keineswegs in irgendeiner individuellen Weise pathologisch oder auch nur merkwürdig, er demonstriert vielmehr damit, dass er ein Teil der Menschheit ist, ein Teil seiner eigenen, wenn auch sehr fernen Vergangenheit, ein Teil jener Tausenden von Zuschauern, die sich einst in einem überfüllten römischen Amphitheater versammelten, um den tödlichen Gladiatorenkämpfen zuzuschauen. Dass solche Wettkämpfe, die ja für das Volk veranstaltet wurden, sich nicht nur für wenige Jahre oder Jahrzehnte, sondern über Jahrhunderte hin hielten, sollte uns zu denken geben.
Petronius zufolge leisteten die Gladiatoren folgenden Eid: «Wir schwören, dass wir, dem Befehl des Eumolpus gemäß, den Tod erdulden wollen durch Feuer, Fesseln, Schläge oder das Schwert. Und was immer Eumolpus auch befehlen möge, als wahre Gladiatoren verpflichten wir uns mit Körper und Geist seinem Dienst.» 14 Der Mut der Gladiatoren war legendär. Cicero stellte ihn den römischen Bürgern als Vorbild hin – die Bereitschaft, sich für das Allgemeinwohl zu opfern, und zwar mit Bravour. 15 Im Allgemeinen waren die Gladiatoren Sklaven oder Kriminelle, die um ihr Leben oder, wenn sie gewannen, sogar um ihre Freilassung kämpften. Verarmte Freie kämpften allerdings oft genauso gut, in der späten Kaiserzeit fochten sogar Männer von Rang öffentlich gegeneinander und leisteten damit ihren Beitrag zu dem, was wir heute den Niedergang des Römischen Reiches nennen. (Unter Nero, dem schlimmsten der römischen Cäsaren, blühten Exzesse dieser Art. Unter seiner Ägide, die von 54 bis 68 nach Christus dauerte, stellten sich an die tausend Männer aus den Adelsgeschlechtern Roms zum Gladiatorenkampf. Ob es faire, gelinkte oder manipulierte Kämpfe waren, wird heute nicht mehr entschieden werden können. Zeitweise nahmen sogar Frauen von Rang an solchen Kämpfen teil – die zweifellos besonders sehenswert waren.) Die römische Aristokratie war diesem Kampfsport so verfallen, dass Augustus sich gezwungen sah, den Adligen per Dekret zu verbieten, sich als Gladiatoren ausbilden zu lassen.
Die Ursprünge des Boxens, soweit sie mit den Gladiatorenkämpfen zusammenhängen, gehen auf Griechenland zurück. Die Geschichte nennt einen Herrscher namens Thesus (zirka 900 vor Christus), der an dem Kampf zweier Männer Gefallen fand, die sich gegenübersaßen und sich mit den Fäusten totschlugen. Im Lauf der Zeit
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