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Über das Haben

Über das Haben

Titel: Über das Haben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Weinrich
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HABENS – MIT UND OHNE HEIDEGGER
    Zu Beginn dieses Kapitels schauen wir noch einmal kurz auf die aristotelische Kategorientafel zurück, auf der wir das SEIN an erster und das HABEN an achter Stelle gefunden hatten. Dabei konnte uns nicht entgehen, dass die philosophische Nachwelt in dieser Platzierung ein verborgenes
ranking
entziffert hat, das sich in der ganzen Rezeptionsgeschichte nicht gerade zugunsten des HABENS ausgewirkt hat. Als «ontologische Priorität» wird der Vorrang des SEINS gegenüber allen anderen Kategorien, also auch gegenüber dem HABEN , noch einmal ausdrücklich von Martin Heidegger festgeschrieben. Das ist die
raison d’être
seines Hauptwerks «Sein und Zeit» (1927). An die Kategorie HABEN verschwendet er in diesem Buch kaum ein Wort.[ 1 ]
    Einer solchen Auffassung kann in diesem Buch nicht zugestimmt werden, bei weitem nicht. Die Priorität des SEINS in allen Ehren, sie jedoch in eine absolute Exklusivität umzudeuten, widerspricht jedem kategorialen Denken. Wohl wahr ist, dass jemand nur dann etwas HABEN kann, wenn er zuerst etwas IST . Er muss ja zumindest geboren und noch nicht gestorben SEIN . Aber ob dann im Verlauf seines Lebens dieser Jemand auch noch immer etwas SEIN kann, ohne etwas zu HABEN , das ist sehr die Frage.
    Sollen wir nun, parallel zur Wissenschaft vom SEIN als «Ontologie» (nach griech.
on
,
ontos
), auf einer Wissenschaft vom HABEN bestehen? Aber wie sollte diese parallele Disziplin beschaffen sein? Und wie sollte sie überhaupt heißen? Etwa «Echologie» (nach griech.
echein
)? Oder gar «Hexologie» (nach griech.
hexis
)? Nichts dergleichen kommt hier in Frage. Hingegen möchte ich mit Nachdruck dafür werben, dass uns nichts daran hindern sollte, die Ontologie als Lehre vom SEIN , quer zu ihrer wörtlichen Etymologie, auch auf die Lehre vom HABEN auszuweiten. Grundsätzlich gleichrangig stehen demnach eineOntologie des SEINS und eine Ontologie des HABENS nebeneinander. Nur so kann die theoretische Parallelität zwischen den beiden Sparten der Ontologie mit methodologischer Sorgfalt weiterentwickelt werden.
    *
    Die hier als Projekt skizzierte, das SEIN und das HABEN in einer integralen Theorie zusammenfassende Ontologie hat weiterhin ihren Ort auf dem schon von der alteuropäischen Metaphysik planierten und letztlich von Martin Heidegger neu vermessenen Terrain der Lehre vom SEIN . In einer späteren Schrift findet man dieses SEIN bei ihm als «Haus des SEINS » metaphorisiert.[ 2 ] Im Maße wie dieses Bild dazu dienen kann, der Darstellung zu mehr Anschaulichkeit zu verhelfen, kann es in der folgenden Beschreibung beibehalten werden, mit der gewichtigen Einschränkung allerdings, dass im Kontext von «Sein und Zeit» das Haus des SEINS eher als Ort des Unbehaustseins zu verstehen ist. So oder so verstanden, kann dieser Behausung jedenfalls mit angeglichener Metaphorik ein «Hof des HABENS » beigegeben werden, auf dessen weiter bemessenem Terrain das «Haus des SEINS » gelegen ist.
    Die Kartographie dieser integralen Ontologie, die auch den Hof des HABENS einschließt, soll weiterhin ausdrücklich von Martin Heidegger übernommen werden. Dadurch jedoch, dass Heidegger in «Sein und Zeit» als erster Metaphysiker das Sein und die Zeit in einer genialen Konzeption zusammengeführt hat, sind auch für einen Anschluss der HABEN -Kategorie an die Kategorie des SEINS angemessenere Bedingungen gegeben, plausiblere jedenfalls, als sie in früheren Zeiten von einer rein logischen Analyse zu erwarten waren.
    Die Zeit, die von Heidegger in ein enges ontologisches Einvernehmen mit dem SEIN gebracht wird, ist bekanntlich nicht identisch mit der aus dem Alltag geläufigen Zeit der Uhren, Kalender und Chroniken. Die für Heideggers Lehre vom SEIN relevante Zeit ist vielmehr die Zeitlichkeit, verstanden als Endlichkeit der menschlichen Existenz («Sein zum Ende», «Sein zum Tode»).
    Für dieses SEIN , das in jeder Hinsicht den Gesetzen der Zeitlichkeitunterworfen ist, führt Heidegger in seiner Darstellung den Begriff DA-SEIN ein (auch zusammengeschrieben: DASEIN ). Mit dem Element «da» (das ist nach der Grammatik ein «deiktisches», das heißt, zeigend hinweisendes Adverb) wird hier die abstrakte Ontologie des SEINS zu ihrem nicht geringen Vorteil verweltlicht und geerdet. So kann der Autor in seine Lehre vom SEIN viele neue Elemente einfließen lassen, die ihrer historischen Herkunft nach eher in die Anthropologie und Moralistik (Herder, Scheler, Schopenhauer)

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