Über das Haben
U-Boot-Kommandant «mit steifem Ding am Hals». Nicht übersehbar ist an dieser Stelle bereits eine sexuelle Konnotation, die diesem «steifen» Eisenstück eigen ist. Die zweite Heldenrede hat jedoch ein unerwartetes Nachspiel. Der Ritterkreuzträger zeigt den Schülernseine Turnkünste. Beim Umkleiden in der Turnhalle legt er die feine Uniform ab, auch «das Ding». Hinterher ist es weg. Große Aufregung bei Lehrern und Schülern: «Werwardas?» Auffällig ist für seine Freunde, dass Mahlke von nun an ganz gegen seine Gewohnheit eine Krawatte trägt. Und Freund Pilenz wird heimlich Zeuge, wie der nackte Mahlke sich vor dem Spiegel «den Bonbon» am Band um den Hals legt. «Aha, du HAST den Artikel!» Es folgt die nächste Stufe der Besitzergreifung. Der Freund berichtet von Mahlke: «Nun ließ er den großen Metallbonbon vor seinen Klöten und dem Schwanz baumeln». Dazu der Dialogabschnitt:
– Na Pilenz! Ganz schöner Apparat, was?
– Doll, lass mal anfassen.
– Ehrlich verdient – oder?
– HAB ich mir gleich gedacht, dass du das Ding gedreht HAST .»
Auf die Dauer kann der Diebstahl nicht verborgen bleiben, und der Missetäter Mahlke «fliegt» vom Gymnasium. Nur an der «Horst-Wessel-Oberschule», die mit ihrem Nazi-Namen in Danzig wenig angesehen ist, kann er noch das Abitur machen.
Zeitsprung in der Novelle. Der große Mahlke wächst heran und wird militärdienstpflichtig. Aber schon vorher überrascht er seinen Freund, den Erzähler: « HAB mich übrigens freiwillig gemeldet.» Mahlke geht zu den Panzern, wird Richtschütze. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Katholik Mahlke als Soldat an der Front einen privaten Marienkult entwickelt hat, der weit über das kirchlich genehme Maß hinausgeht. «Natürlich HATTEN wir auch Verluste. Aber die Jungfrau wird mich auch weiterhin beschützen». Er hält sich für unverwundbar, wird ein Draufgänger und Held. So kann es kaum ausbleiben, dass er schon als Unteroffizier für so und so viele Panzerabschüsse mit dem heiß begehrten «Bonbon» dekoriert wird. Das steht natürlich auch in der Zeitung: «Ein Sohn unserer Stadt HAT in pausenlosem Einsatz, zuerst als einfacher Richtschütze, dann als Panzerkommandant und so weiter und so weiter.»
Nun kommt, so dürfen die Leser der Novelle wohl erwarten, die dritte Heldenrede auf das Programm, mit dem Großen Mahlke als Redner. Aber wo genau soll er reden? Mahlke ist nur an seinem alten Gymnasiumals Ort der Feier interessiert. Und so macht der Ritterkreuzträger Mahlke anlässlich eines Urlaubs auch dort Besuch, dekoriert natürlich: «Er HATTE den besonderen Artikel am Hals, das Dingslamdei, den Magneten, (…) den Bonbon, Apparat, das Ding Ding Ding, das Ichsprechesnichtaus.» Es zeigt sich aber, dass bei seinem alten Traditions-Gymnasium (mit den Spitzbogenfenstern in der Aula) die Magie nicht wirkt. Mahlke ist und bleibt von dieser Schule relegiert. Bei der anderen Schule, der mit dem Nazi-Namen, da dürfte er seine schon wortwörtlich ausgearbeitete Rede wohl halten, aber das will er nicht. Die Rede wird nicht gehalten.
Nun geht die Novelle unaufhaltsam ihrem Ende entgegen, dem mutmaßlichen Tod des tragischen Helden: «Wie lange HAST du eigentlich noch Urlaub? – Mein Zug fuhr vor viereinhalb Stunden.» Anders ausgedrückt: Mahlke ist desertiert, muss sich verstecken. «Ich will nicht mehr. Vielleicht HAB ich auch Angst.» Und schließlich (mit Hilfsverb und Ellipse des Partizips): «… HAT man davon. HÄTT mir einer vorher sagen. Wegen son Quatsch. Dabei HÄTTE ich wirklich nen guten Vortrag.»
Vom Ende des Großen Mahlke weiß der Erzähler nur zu berichten, dass der Freund irgendwie verschollen ist, mutmaßlich bei einem letzten Tauchmanöver zu dem polnischen Wrack. Das Ritterkreuz muss er wohl bei sich in der Hosentasche HABEN .
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HITLER ALS HABENICHTS, HITLER AM ENDE
Am 10. Dezember 1940, auf dem Höhepunkt seiner Kriegserfolge, hielt Adolf Hitler vor Rüstungsarbeitern der Borsig-Werke in Berlin eine Rede, die in ihrem Stil etwas von seinen sonstigen Reden abwich.[ 1 ] Vor diesen Arbeitern bemühte sich der Führer des Großdeutschen Reiches, als einer von ihnen zu erscheinen («Ich BIN aus euch hervorgegangen»). Und zugleich gab er sich als fürsorglicher Lehrer, der seinen unmündigen Schülern geduldig auseinandersetzt, wie die Welt doch so ungerecht aufgeteilt ist. Nach seinem Verstand gibt es einerseits die besitzenden Völker, namentlich England, Amerika und
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