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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Richter
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Gemütlichkeit. Wenn alle Bier tränken statt Gin, dann wäre die Welt eine bessere. So jedenfalls Hogarth.
    Aber das war im Jahr 1751.
    Die Zeiten, in denen der Gin als Volksdroge galt und das Biertrinken als kultivierte Alternative empfohlen wurde, sind merklich vorbei. Heute sind es die britischen Biertrinker, denen Roger Scruton seine französischen, italienischen und spanischen Rotweine entgegenhält. Wenn er mit ein paar anderen klugen Leuten abends eine Flasche davon aufmacht, dann erinnert ihn das, schon weil er von Beruf Philosoph ist, natürlich sofort an das berühmte Gastmahl des Platon, das sogenannte Symposion. Daß das Philosophieren im antiken Griechenland dieser einflußreichen Schrift zufolge mit dem Herumreichen von Getränken verbunden war, die die Gehirne und die Zungen lockern sollten, das dient allerdings bis heute auch jedem ordinären Kneipenstammtisch als Legitimation. Und wenn man genau nachliest, geht es auch bei Platon schon gelegentlich darum, daß der eine oder andere zuviel hat, nicht mehr kann, aber weitertrinken muß. Denn  – ja, auch für die Tradition des Wettsaufens unter Männern finden sich hier Referenzen, es ist gewissermaßen Kampfsaufen mit dem Zwang, dazu noch gescheit daherzureden.
    Aber wer Platon sagt, sagt meistens auch Aristoteles  – und kommt so zu dessen Theorie der Mäßigung.
Was Aristoteles über den Ärger gesagt hat, nämlich daß er nichts prinzipiell Schlechtes sei, man müsse ihn nur im Griff haben und das Maß halten können, das wendet Scruton nun auf das Trinken an. Das Maßhalten beim Trinken lerne man durch die Praxis. Offenbar also durch trial and error . Das jugendliche Über-das-Maß-Hinausschießen wäre hiermit also sogar auch noch in Ordnung. Aber worum es Scruton geht, das ist natürlich die kultivierte Herrenrunde, die es genießt und angeregt zu reflektieren versteht, wie der Wein in sie fährt und dort sein Werk verrichtet.
    Das Wirken des Weines bewußt genießen zu können, das, so Scruton, unterscheide letztlich den Menschen vom Tier, das nicht dezent angeheitert sein kann, sondern nur schlagartig besoffen. Man weiß allerdings nicht recht, ob der Philosoph damit nicht auch seine Bier und Schnaps trinkenden Mitmenschen meint. Scruton ist schon ein sehr ausschließlicher Apologet des Weins, aber er gibt ein ganz gutes Stichwort, wenn er den Wein als ein »Vehikel der Zivilisation« herausstellt. Scruton glaubt, daß gerade im Wein eine Erinnerung an den Akt der Seßhaftwerdung, an den Akt der Zivilisation eingeschrieben ist.
    Fermentiert und haltbar gemacht, verleihe er dem Ort und den Dingen, die dort wachsen, ein Gedächtnis. Das ist ungefähr das, was gemeint ist, wenn von »terroir« die Rede ist, wenn geographische Bezeichnungen wie Burgund,
Bordeaux oder Mosel einen Geschmack beschreiben, den Geschmack eines Ortes, den Geschmack einer ganzen Kultur. (Mal ganz davon abgesehen, daß jedes Weintrinken automatisch das Gedächtnis anheizt und für die eigene Geschichte und Biographiebildung sensibilisiert: Man spricht vom Ausnahmejahrgang 2005, oder man schmeckt die im Wein konservierte Hitze des nicht enden wollenden Sommers 2003  – und man fragt sich beim Trinken natürlich immer, was habe ich eigentlich in jenem Sommer getrieben, was hat diese Hitze mit mir gemacht, wie bin ich seitdem gereift?)
    In größeren Dimensionen gedacht feiere man im Wein dadurch immer auch den Akt der Ansiedlung, den Bau der Stadt, die Zivilisation. Trinken, so verstanden, heißt also, über die Jahrhunderte hinweg Kontakt aufzunehmen mit den Menschen, die einst ihre Wurzeln hier schlugen. Zusammensitzen und trinken und im Frieden mit den Vorfahren sein, so schließt der Philosoph, das sei in Zeiten von Internet, Ortlosigkeit, Aufregung und Hektik ein hohes und erstrebenswertes Ziel.
    »Binge drinking« hingegen, das Wirkungssaufen freitags abends im Pub, sei gewissermaßen das genaue Gegenteil davon: nicht das gesellige Feiern des Ortes, letztlich der Stadt, des Gemeinwesens, der Zivilisation  – sondern grölend vorzivilisatorisches, urmenschenhaftes Jägerhordendasein, in dumpfen Reflexen gegen die Mitmenschen, die Stadt und ihre Einrichtungen gerichtet
und ende daher so häufig in Akten der Gewalt und des Vandalismus.
     
    Ich weiß nicht, ob das nicht ein bißchen einseitig ist und ob ein passionierter Biertrinker nicht eine etwas andere Version der Geschichte präsentieren würde.
    Aber es führt uns zu einem interessanten Punkt: den

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