Über das Trinken
bedrohten, sein Heil in der Entfaltung von Pracht, Schönheit und Geselligkeit suchte und ansonsten auf die Hilfe reichlich bewirteter Bündnispartner hoffte. Der Bacchus kam dahin, wo einige Jahre zuvor von höchster Stelle eine Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit gegründet worden war. Sie erinnern sich? Es war hier ganz am Anfang davon die Rede.
Der »Triumph des Bacchus« kam nach Dresden.
Friedrich August II., der Mann, der den »Triumph des Bacchus« kaufte, war der Ahne eines Geschlechts, das schon seit Generationen dermaßen notorisch dem Vollrausch verfallen war, daß wir das an dieser Stelle einmal ganz kurz resümieren müssen: die Genealogie eines Herrscherhauses, welches das Feiern mehr oder weniger zur Staatsräson gemacht hat.
Es wird jetzt ein paar Absätze oder sogar Seiten lang um sächsische Geschichte gehen. Wer der Meinung ist, daß ihn das nichts angehe, der kann von mir aus gleich zu den trinkenden Politikern der Bundesrepublik weiterblättern. Aber der erfährt dann auch nicht, wo diese
weinselige Selbstgenügsamkeit herkommt. Ich muß das in einer gewissen Ausführlichkeit vor allem deshalb erzählen, um auf die Kontinuität eines politischen Prinzips hinzuweisen. Ich will ganz einfach, daß Bacchus am Ende triumphiert, auch wenn es in den Geschichtsbüchern manchmal nicht danach aussieht.
Ich versuche, es kurz zu machen: Der letzte Fürst aus dem Haus der Wettiner, der tatsächlich militärisch und politisch etwas zu Wege gebracht hatte, hieß Moritz und erstritt sich 1547 in der Schlacht von Mühlberg an der Seite Karls V. die Kurfürstenwürde. Über seinen Nachfolger August gibt es wenig zu sagen, außer daß er durch eifriges Wirtschaften das Land zum Krösus unter den deutschen Staaten gemacht hat und seine Sammlungen als Museum öffentlich zugänglich machte.
Aber schon nach ihm geht es zu wie bei den Buddenbrooks: Sein Sohn Christian I. (Regierungszeit 1586–91) galt zwar als begabt, aber ein bißchen mißraten, er stürzte sich in Spielschulden und vertrieb sich die Zeit mit der Jagd oder dem Trinken, manchmal auch mit beidem gleichzeitig. »Wenn er sturzbetrunken war, ließ er sich von seinen Kumpanen auf einen Berg tragen, oben dann aufs Pferd setzen, um anschließend in vollem Galopp den Abhang hinunterzujagen.« (So Thomas Nicklas in Frank Lothar Krolls »Die Herrscher Sachsens«, dem ich hier auch in allem Übrigen folge.) Auch als Erwachsener und selbst als Kurfürst blieb sich Christian in
dieser Hinsicht treu. Zur Trunksucht kam nun noch die Spielsucht und ein ausgeprägtes Faible für Ritterturniere. Das Duell mit dem Alkohol verlor er; mit 31 Jahren erlag er seinen zerstörten inneren Organen.
Sein Sohn Christian II. wird als plump, rundlich und einfältig beschrieben. Er hat als Sohn eines Alkoholikers auch dessen Trunksucht geerbt, was seinem Geist zusätzlich zu schaffen macht. Alles Politische übernehmen vorsichtshalber die Räte. Christian II. macht deshalb das Feiern zum Inhalt seiner Herrschaft. Schon bald ist er in ganz Europa für seine Feste berühmt. Und für seine Trinkfreudigkeit. Er ist stolz darauf, bei einer längeren Reise nach Prag, es ging immerhin um eine politische Allianz mit Österreich, kaum eine Stunde nüchtern gewesen zu sein.
In dieser Zeit kam der Dresdner Hof auch in den Ruf, daß man dort als Gast zur Begrüßung beeindruckende Prunkpokale gezeigt bekommt und anschließend allerdings auch austrinken muß. Diplomatischen Begegnungen wurde so von vornherein viel an Steifigkeit genommen. Aber auch Christian II. wurde nicht sehr alt. Bei einem Ritterspiel im Juli 1611 verausgabte er sich. Der dicke Mann, die körperliche Anstrengung, die schwere Rüstung, die sengende Sonne: Christian II. taumelte vom Pferd, nahm, wie es in den Geschichtsbüchern heißt, einen großen Schluck kalten Bieres – und es traf ihn der Schlag. Da war er 28 Jahre alt und noch kinderlos.
Also folgte ihm sein Bruder Johann Georg I., der sich, wie sollte es anders sein, von seinem Vater und seinem Bruder nur wenig unterschied. Zeitgenössische Berichte nennen ihn den »Bierjörgen« und verspotten ihn als »derben Gewohnheitstrinker«. Ausländische Diplomaten klagen, daß es Abend für Abend »wieder ans sauffen gehet«, und sie verzweifeln darüber, daß »an diesem Hof schier mehr von Saufen und Fressen und Jagden als von anderen Sachen discurrirt wird«. Botschafter, Lobbyisten, Einschmeichler und professionelle Speichellekker mußten
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