Über das Trinken
Dresden und erfreuen sich dort großer Beliebtheit und Bewunderung bei den internationalen Besuchern der Stadt.
Die Rückschläge mögen hart gewesen sein – aber ist das alles nicht am Ende doch noch: der Triumph des Bacchus?
Es liegt mir fern, die Herrschaft verfetteter, selbstsüchtiger Kindsköpfe zu glorifizieren. Ich bin wirklich kein Monarchist. Als ich einmal bei einer Vernissagenfeier in Dresden die Gelegenheit hatte, mit einem direkten Nachfahren Augusts des Starken zu sprechen, habe ich ihm in der gebotenen republikanischen Schärfe mitgeteilt, wie unmöglich ich es finde, daß die außer Amt gesetzte Fürstenfamilie jetzt dauernd Dinge aus den Museen zurückfordert, um sie dann auf dem Kunstmarkt zu verhökern. MEINE Vorfahren hätten das alles erarbeitet, SEINEN Vorfahren sei es zum Politikmachen in die Hände gelegt worden. Den Job hätten sie seit 1918 nicht mehr. Und nach der Kündigung verblieben die Arbeitsmittel doch bitte selbstverständlich im Betrieb.
So damals ich. Er sah das natürlich anders. Aber er war auch völlig nüchtern. Ich nicht mehr. Und auch das zeigt ja bloß, wer die Fahne hochhält.
Nur: Kriegsmüde, aber in Feierlaune, unaggressiv, aber im dauernden Bestreben, durch Diplomatie und Spitzenleistungen in Technologie, Wissenschaft und Kultur für sich um Sympathie zu werben: Wann hat es so etwas in Deutschland je wieder gegeben?
Im Grunde ist das doch ziemlich exakt das Bild, das erst die Bundesrepublik in ihren besten Jahren von sich hatte. Etwa ab der Zeit von Willy Brandt, dessen Auftreten und dessen Sound etwas so grundsätzlich Beschwingendes hatten.
Woran das bei Willy Brandt im Detail lag, war eigentlich immer ein eher offenes Geheimnis. Nur wirklich Böswillige diffamierten den Kanzler als Weinbrand-Willy. Ansonsten gehört es zu den politischen Usancen der Bundesrepublik, das Trinkverhalten von Politikern diskret zu behandeln. Wie sollte es auch anders gehen: Der gesamte politische Betrieb ist komplett eingelegt in Alkohol. Es mußten erst, nach der Art der unschuldigen und taktlosen Kinder, die Grünen ins Parlament einziehen, damit es einer herausschreit: »Der Bundestag ist eine unglaubliche Alkoholikerversammlung, die teilweise ganz ordinär nach Schnaps stinkt. Je länger die Sitzung dauert, desto intensiver.«
Soweit der junge Joschka Fischer in einem Interview mit dem Frankfurter Magazin »Pflasterstrand« im Jahr 1983. Wie es später mit ihm selber weiterging, ist allerdings auch bekannt. Warum gibt es eigentlich keine T-Shirts mit der Aufschrift »Rotwein formte diesen Körper«?
Der Berliner Suchtexperte Hans-Detlef Cabanis hatte dem politischen Betrieb der Bundesrepublik zu Bonner Zeiten schon bescheinigt, die Quote der Alkoholerkrankungen liege »doppelt so hoch wie in anderen Unternehmen«. Das ist allerdings auch kein Wunder bei Dienstverpflichtungen wie dem Politischen Aschermittwoch. Die beträchtliche Menge Gratisalkohol, die unsere Politiker im Laufe einer Legislaturperiode mitnehmen, ist
so ziemlich die einzige Vergünstigung, die ihnen von einer notorisch mißgünstigen Bevölkerung noch nicht angekreidet und geneidet wurde. Trinken gilt bisher erstaunlicherweise noch nicht als politische Untugend. In bestimmten Regionen und Milieus wird damit sogar bis heute zu punkten versucht: Als Günther Beckstein noch bayrischer Ministerpräsident war, hatte er sich, es war kurz vor dem Oktoberfest, gegen eine Senkung der Promillegrenze für Autofahrer mit der berühmt gewordenen Sentenz ausgesprochen: »Es ist nicht das Problem, wenn einer eine Maß trinkt oder, wenn er ein paar Stunden da ist, auch zwei.« Natürlich mußten Verkehrs- und Suchtexperten da protestieren. Jeder spricht halt seinen Text. Aber die, die Beckstein angesprochen hatte, die saßen im Bierzelt und die werden es ganz gerne gehört haben. Am Ende machte er noch aus dem Zurückrudern einen publikumswirksamen Punkt, indem er seine Äußerung zum Verbraucherschutz erklärte: »So wie die meistens eingeschenkt sind, kann man auch mit zwei Maß noch fahren.«
An einer zu volkstümlichen Einstellung zum Trinken wird es jedenfalls nicht gelegen haben, daß Beckstein seinen Posten wenig später verlor. Als Franz-Josef Strauß das Amt innehatte, wurde ihm ein noch wesentlich barockeres Verhältnis zum Trinken von seinen Bayern nicht übelgenommen, ganz im Gegenteil, auch wenn damals schon erzählt wurde, daß Strauß nach einem
Empfang einmal erst am nächsten Morgen schlafend
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