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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Richter
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fürchten, ihrer Arbeit bei Hofe nicht mehr nachkommen zu können, wenn sie nicht trinkfest genug waren.
    Auch Johann Georg II. galt noch im nachhinein »als viel zu genuß- und vergnügungssüchtig« (so jedenfalls der Historiker Theodor Flathe.) Aber zu seinen Schwächen gehörte immerhin auch schon die Musik. Selten wurden so viele Musiker geadelt. Hier beginnt nun etwas umzukippen: Aus dem Laster schält sich eine Tugend; das Land, das seit geraumer Zeit kaum noch militärische Heldentaten vorzuweisen hat, verlegt den Schwerpunkt seiner Politik allmählich auf die Repräsentation. Die wirtschaftliche und reichspolitische Macht, die das Kurfürstentum hatte, ließ sich auch so darstellen: durch Kultur, Feiern, Prunk und Pracht.
    Johann Georg III., einer der Türkenbezwinger vor Wien, besaß die Höflichkeit, sich bei der Plünderung des
türkischen Feldlagers vornehm herauszuhalten, weil er schließlich reich genug war, türkische Beutewaffen direkt am Bosporus zu bestellen und bei der Gelegenheit noch mit ein paar Goldornamenten extra verzieren zu lassen. Auf ärmere Nachbarn mochte das ein wenig arrogant gewirkt haben, aber generell mochten sie es in Dresden einfach lieber, wenn an den Waffen kein Blut klebte, sondern zum Beispiel Edelsteine. Dieser Johann Georg III. fügte den bisher am Dresdner Hof hochgehaltenen Leidenschaften, der Musik, dem Trunk, dem Spiel und der allgemeinen Verschwendung noch eine wichtige neue hinzu: die Frauen. Mit ihm zog das Mätressenwesen ein.
    Für die erzürnten Hofprediger war das natürlich ein böser Skandal, für das Land war es wie eine List der Geschichte: Seinen Sohn, den vierten und letzten der sächsischen Johann Georgen, zwang es nämlich, seinen Thron nach nur zweieinhalb Jahren für einen Glanzvolleren freizumachen. Diese zweieinhalb Jahre hatte der Mann praktisch lückenlos damit zugebracht, sich wegen einer minderjährigen Gardeoffizierstochter in ganz Europa zum Thema schlüpfriger Witze zu machen. Der Mann war dem als geistig unbedarft beschriebenen Mädchen in einem Maße verfallen, welches die Zeitgenossen sich nur durch Schwarze Magie erklären konnten. Seine Ehefrau, die »schöne Prinzessin von Eisenach«, schlug er. Seine Mätresse erhob er zur Gräfin. Erfolglos strebte
er eine Doppelehe an, die Bigamie. Schließlich starb die Geliebte mit 19 Jahren an den Pocken. Und da Johann Georg IV. es nicht lassen konnte, sie auch noch auf dem Totenbett zu liebkosen, steckte er sich an und folgte ihr schon wenige Tage später nach.
    Das machte den Weg frei für den Zweitgeborenen, und damit sind wir, endlich, bei Friedrich August, den sie August den Starken nannten. In ihm gipfelt dies nun alles.
    August ist der Mann, dem das widerfährt, wovon jedes Kind träumt: Alles, wofür andere getadelt werden, ist bei ihm gut, richtig und von hohem Interesse für das Gemeinwohl. Jede persönliche Schwäche wird zur politischen Stärke umgemünzt. Und Schwächen hatte er viele: Porzellan, Juwelen, Architektur, die ausschweifendsten Feiern aller Zeiten natürlich, und vor allem Frauen. »Der Starke« wurde August ja nicht deswegen genannt, weil er militärisch so erfolgreich gewesen wäre. Im Gegenteil. Das bezog sich schon ausschließlich auf seine körperlichen Kräfte, besonders auf eine ganz spezielle.
    Die Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth, zwischenzeitlich als Heiratskandidatin im Gespräch, schrieb, Augusts Liebesleben sei weltberühmt; wie jeder wisse, halte er einen Serail der schönsten Frauen. Die Zahl seiner unehelichen Kinder schätzte sie auf 354. Dresdner Stadtführer haben später, damit es runder klingt, 365 daraus gemacht, für jeden Tag des Jahres
eins. Bis heute ist August der Starke eine der populärsten deutschen Herrscherfiguren überhaupt, vielleicht auch deshalb. (Nur einer sieht das übrigens grundlegend anders: Karlheinz Blaschke ist, wie man so sagt, der Nestor der sächsischen Landesgeschichte. Als ich den damals 82 Jahre alten Historiker im Frühjahr 2010 in seinem Haus in Moritzburg besuchte, stach er mit dem Finger in die Luft und schimpfte: »August der Starke war ein Schuft!« Wenn die Frauenforschung sich mal über August beugen würde, wäre der erledigt. Aber auch das sei eben ein Merkmal des Absolutismus: Indem August sich mit seinem Benehmen sowohl über die lutherische Sittlichkeit als auch über das katholische Sakrament der Ehe hinwegsetzt, zeigt er nur noch einmal, daß er zu so etwas eben die Macht hat  – und in einer

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