Über das Trinken
in den Rabatten des Schloßgartens aufgefunden wurde – als er noch der Bonner Verteidigungsminister war und als die Kubakrise gerade auf den dritten Weltkrieg hinauszulaufen schien.
Daß unsere Geschicke in den Händen von zum Teil heftigen Trinkern liegen, kann einen schon manchmal beunruhigen. Und es wird einem jetzt noch angst und bange bei dem Gedanken an den russischen Hang zu Atomraketen und gleichzeitig aber auch Wodkaflaschen. Andererseits dreht sich die Welt noch, und wer weiß schon, ob sie das auch dann noch täte, wenn auf der sowjetischen Kommandoebene mehr Nüchternheit geherrscht hätte.
Die Kriege, die heute die Welt in Atem halten, sind überwiegend von Nichttrinkern vorangetrieben worden. Von islamistischen Gotteskriegern sollte man jedenfalls annehmen, daß sie trocken sind. Von George W. Bush weiß man es. Es hat, was diesen Punkt betrifft, auch nie an unsinnigen Vergleichen mit Hitler gefehlt. Daß ausgerechnet der verheerendste Aggressor aller Zeiten Abstinenzler war, wird aber vermutlich auch in Zukunft immer wieder als Argument für oder gegen irgend etwas herangezogen werden.
So heikel das auch aussah: Mit dem Torkeln des stockbetrunkenen Boris Jelzin verbindet sich heute nicht die Eskalation, sondern das Ende des Kalten Krieges, die
Entspannung zwischen den Supermächten, so etwas wie Frieden. Und der kichernde Nicolas Sarkozy vor kurzem auf dem G8-Gipfel von Heiligendamm: Der war doch eher rührend als empörend. Wie sollen sich denn gerade schwierige Verhandlungen sonst entknoten? Auch in den Memoiren von Tony Blair finden sich bezeichnende und anrührende Passagen darüber, wie glücklich ein Drink die Anspannung zu lösen vermag, der ein Politiker gerade bei schwierigen Verhandlungen unterliegt. Andere lassen sich, wenn es in EU-Verhandlungen anstrengend wird, eine Schale mit Butterstücken in den Konferenzraum bringen und futtern die dann weg wie Kartoffelchips. (Gut, nur einer tat das: Helmut Kohl. Behauptet jedenfalls der ehemalige schwedische Ministerpräsident Göran Persson in seinen Memoiren.)
Wenn Staatschefs miteinander trinken können, ist das jedenfalls immer eine entspannungsfördernde sowie vertrauensbildende Maßnahme und insofern im Interesse aller. Der Heroismus der Friedliebenden liegt im Einsatz der eigenen Leber für das Gemeinwohl.
Es ist deshalb kein Wunder, daß ausgerechnet aus diesem Milieu immer mal wieder trinkfeindliche, prohibitionistische Tendenzen hochkochen. Wer je als Journalist mit dem Politikbetrieb zu tun hatte, weiß: Der Arbeitsalltag dort ist gesäumt von Gläsern. Dauernd ist irgendwas, dauernd reichen sie einem was zu trinken, und dauernd wäre es unhöflich, politisch unklug
oder aus sonstwelchen Gründen unmöglich, es nicht anzunehmen. Wo immer verhandelt, propagiert, informiert, richtiggestellt, geworben und geredet wird: Alkohol ist das Gleitgel für die Worte. Der Föderalismus verschafft sich durch Weine aus Franken, Baden, Rheinland, Hessen oder auch Sachsen-Anhalt Geltung. Kein Regionalverband, der die Herkunft nicht mit ortstypischen Schnäpsen zu unterstreichen wüßte. Neinsagen wäre arrogant und menschenfern. Das Trinken symbolisiert Zugehörigkeit. Regional, sozial und gesinnungsmäßig. Nordwestdeutsche Sozialdemokraten sind geradezu von Amts wegen verpflichtet, nach der Art des Gerhard Schröder gelegentlich das Sakko auszuziehen und in Hemdsärmeln nach Bier zu schreien, damit es auch jeder hört in den Kleingartensparten. Das sind sie den Gewerkschaften schuldig. Barolo trinken können sie dann mit den Bossen. Undenkbar, daß Politiker sich dem ritualisierten Zugetrinke chinesischer Verhandlungspartner entziehen. Selber schuld, wer nicht in Hinterzimmergesprächen seine Kontakte pflegt. Einsam und politisch nutzlos, wer nicht die richtigen Kneipen, Kreise, Klüngel, Stammtische kennt und frequentiert. Und was in Berlin schon heftig ist, das darf man sich in Brüssel noch einmal in Steigerung vorstellen.
Es ist nachvollziehbar, daß unter solchen Umständen immer mal wieder ein Savonarola auftaucht, ein mönchshafter Mahner, der Einkehr, Reue und Buße predigt.
Es ist nachvollziehbar, daß aus Brüssel und aus Berlin immer wieder flammende Forderungen nach einem Kampf gegen den Alkohol zu hören sind. Es sind dies vor allem Selbstgeißelungsanfälle, wie man sie von zerknirschten Quartalssäufern kennt.
Es wäre nur schön, wenn die politische Klasse bei solchen Selbstkasteiungen nicht immer gleich auch den Rest der
Weitere Kostenlose Bücher