Über das Trinken
Nase, wenn sich mal einer eine ansteckte;
Restaurants mit diskriminierenden Raucherbereichen gleich neben dem Klo: zum Totlachen! Bis es bei uns genauso wurde. Wenn jetzt noch wer lacht, dann über Serien wie »Mad Men«: Männer, die ständig eine Kippe im Mund haben, ständig einen Drink in der Hand – und die andere Hand auf dem Po der Sekretärin. Das lebt natürlich vor allem davon, wie unwiederbringlich vorbei und endlos weit weg diese Verhältnisse heute sind.
Es war Präsident Nixon persönlich, der der Kultur der »Three Martini Lunchs« wie sie in »Mad Men« noch einmal beschworen wird, am Ende den Kampf ansagte. Heute ist es so, daß Alkohol zu Geschäftsessen als sogenanntes »absolutes No-No« gilt; heute ist von Studien zu hören, wonach amerikanische Studenten in Testreihen Kandidaten, die vor einem Weinglas saßen, automatisch für weniger intelligent hielten, was ja durch die sich verselbständigende Logik solcher Prozesse sogar völlig richtig ist: Es ist irgendwann einfach nicht mehr besonders intelligent, vor einem Weinglas zu sitzen, wenn alle um einen herum verinnerlicht haben, daß ein Drink, jedenfalls im Kontext der Arbeitswelt, mindestens genauso fatal und selbstmörderisch ist wie alles, was mit Sex zu tun hat.
Seit jenen Sechzigerjahren, die in »Mad Men« noch einmal Wiederauferstehung feiern, sind ganze Wellen der moralischen Erneuerung und Aufrüstung durch die Vereinigten Staaten gerollt, und daß dabei auch prohibitive Tendenzen wieder an Boden gewannen, ist kein
Wunder. Nixons konservative Revolution ab 1968 hatte eine regelrechte Renaissance der Temperenzler- und Abstinenzler-Bewegungen zur Folge. Unter Reagan wurde schon wieder angezweifelt, ob Alkoholismus wirklich eine Krankheit ist und nicht doch nur ein moralisches Versagen. Und seit dem Jahr 1984 wurden den Bundesstaaten die Mittel für den Straßenbau gekappt, wenn sie das Mindesttrinkalter nicht auf 21 Jahre hochsetzten. Bereits seit 1969 hatte der republikanische Südstaaten-Senator Strom Thurmond mit der Hartnäckigkeit eines Cato bei jeder Sitzung aufs Neue verlangt, Warnhinweise auf die Flaschen zu drucken. 1988 wurde er endlich belohnt, plötzlich sprangen ihm schwarze Demokraten aus dem Norden bei. Wenig später wurde Alkohol per Gesetz als Droge bezeichnet.
Heute ist es die Brown Bag -Kultur der Amerikaner, die wir in Europa zum Totlachen finden. Den Zwang, Flaschen in der Öffentlichkeit unter Burqas aus Packpapier zu verstecken. Oder Gesetze wie das, wonach einer an einem Unfall automatisch bereits dann ganz alleine die Schuld zugeschoben bekommt, wenn er eine Flasche Wein auch nur ungeöffnet und als Geschenk verpackt neben sich auf dem Beifahrersitz liegen hat. Auch dieses Lachen wird aufhören, wenn ähnliche Regelungen bei uns Alltag werden.
Denn daß ähnliche Regelungen auch bei uns Alltag werden, dafür haben wir die Europäische Union. Das
doppelt Unbehagliche daran ist, daß es gar keine Alternative zu geben scheint. Man will schließlich kein Reaktionär sein, der ständig »Nichts darf man mehr« mault, so wie allerdings auch die, die gern wieder Herrenwitze erzählen dürfen würden – oder eben den Sekretärinnen an den Po fassen. Und man gerät eben auch schnell in die trübe Gesellschaft von D-Mark-Nostalgikern, Nationalisten und anderen Europa-Skeptikern, wenn man den Regulierungsbemühungen aus Brüssel nicht freudig entgegenblickt.
Allein das Gebot der Gleichbehandlung müßte dann eigentlich mit unbarmherziger Logik alle kulturellen Nationalbastionen schleifen. Wenn schon in Frankreich keine Beschreibung von Wein in der Presse gedruckt werden darf, die geeignet ist, einem den Mund wässrig zu machen und für den Kauf zu werben: Dann müßten der Gerechtigkeit und der Statuten halber eigentlich auch in Deutschland sämtliche Weinkennerkolumnen aus den Medien verschwinden.
Daß auf Wein in Deutschland noch nicht einmal Alkoholsteuer anfällt, weil er als eine Art Kulturdenkmal behandelt wird, das wäre dann natürlich auch ein Unding. Wieso sollten die Weinberge an der Mosel anders behandelt werden als die im Ausland? Oder als ein Hopfenfeld? Und warum überhaupt anders als die Plantagen der Koka-Bauern in den Anden? Auch die bauen immerhin eine uralte Kulturpflanze an, mit deren Erträgen
sie verantwortungsvoll umzugehen wissen und Rituelles verbinden. Mit den Koksern in unseren Diskos haben sie so viel oder so wenig zu tun wie ein Winzer mit den Säufern in der Bahnhofsmission.
Die
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