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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Richter
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lehnen sich den Rest des Tages in Ehrfurcht vor sich selbst zurück. Solche Tage sind dann von einer ganz eigenen Entspanntheit, und diese Stimmung qualifiziert sie im Grunde gleich wieder für neue Feiern.
    Stefan Gabányi, Kellner in »Schumann’s Bar« in München, sprach in einem Interview mit Alexander Gorkow einmal von regelrechten »Katerfesten«.
    Gorkow: »Was ist das denn?«
    Gabányi: »Nun, wie der Name schon sagt: das Fest nach dem Fest. Ich habe mal an einem 1. Januar ein Katerfest gemacht. Katerfeste sind hier nicht in Mode. Sie sind aber meist schöner als Silvesterfeste.«
    Gorkow: »Warum?«
    Gabányi: »Die Leute stehen nicht mehr unter diesem Überdruck. Der Kater ist, so Sie sich körperlich nicht vollends ruiniert haben, ein wunderbarer Zustand.«

    Gorkow: »Man ist weniger auf Krawall gebürstet.«
    Gabányi: »Man ist weniger empfindlich  – und dafür sensibler. Die Schlacht ist ja geschlagen. Ich halte Leute mit einem Kater oft für deutlich erotischer als Leute, die noch auf diesen Kater hinarbeiten.«
    Das beschreibt im übrigen auch exakt, warum es so viel sinnvoller ist, keine Feste am Samstag zu veranstalten, sondern die Leute am Sonntagnachmittag zum Tee zu laden: Sonntags kann fast jeder, es gibt wenig Konkurrenz, die Stimmung ist, wie gesagt, sensibel und entspannt. Und selbst wenn man vom Tee dann noch zu anderem übergeht: spätestens gegen neun sind alle betrunken, und allerspätestens ab elf hat man wieder seine Ruhe. Es sind, wenn man sich einmal umhört, nicht wenige, die es bis zur reifsten und dialektischsten Form des Trinkens geschafft haben: Dem »Trinken für den Kater«  – weil der im Grunde das Gemütlichste an der Sache ist. Der Sonntag danach. Das Herumhängen. Der Kater als Entschuldigung, nichts »unternehmen« zu können. Die angenehme Mattheit. Die Vorfreude auf den Fernsehabend.
    Das zieht natürlich auch die Frage nach sich, ob der »Tatort« am Sonntagabend so eine Institution geworden wäre, wenn nicht die Hälfte der Leute komplett verkatert oder mit Restalkohol vernebelt davorsäße.

XV. Rettet den Rausch!

    Droht eine neue Prohibition? · Rauchen und trinken · Am anderen Ende der Zigarette · Alles legalisieren · Oder alles verbieten · Die Welt als Fahrradhelm · Was Nietzsche trank · Feiern lernen mit Isländern · Die Zukunft des Trinkens · Wasser! · Kampf der Nüchternheit
    Aber was, wenn der ganze Spaß eines Tages mal vorbei sein sollte? Was, wenn es alkoholische Getränke nur noch in der Apotheke gibt? Oder in staatlichen Ausgabestellen, wo sie, unter ärztlicher Aufsicht, von den Süchtigen konsumiert werden können, ohne der Gesellschaft dabei störend ins Auge zu fallen?
    Nicht vorstellbar?
    Tja. Dann folgt jetzt hier das vielleicht ernüchterndste Kapitel dieses Buches.
    Eine Welt ohne Alkoholika können sich vermutlich die meisten im Augenblick nicht vorstellen. Ich übrigens auch nicht. Aber das will nichts besagen. Ich konnte mir auch beim besten Willen keine Welt vorstellen, in der die Menschen klaglos etwas dermaßen Abstoßendes wie Fahrradhelme tragen. Oder eine Welt ohne Glühbirnen. Konnte ich mir einfach bis vor kurzem nicht vorstellen. Bereits in ein paar Jahren wird das nicht mehr nachzuvollziehen sein.

    Schon gar nicht vorstellen konnte ich mir, daß es eines Tages verboten sein könnte, beim Trinken zu rauchen. Eine Bar oder eine Kneipe mit Rauchverbot wäre mir noch vor zehn Jahren zum Totlachen absurd vorgekommen. Und schon jetzt, so kurze Zeit später, ist es jedesmal ein echter Schock, wenn ich in Österreich bin und dort in eine Gaststube trete. Der Rauch greift nach einem wie ein Gespenst aus der Vergangenheit. An das Unvorstellbare gewöhnt man sich erstaunlich schnell.
    Der Tabak hat irgendwann einmal die Alltagskultur erobert, jetzt wird er allmählich wieder verabschiedet.
    Mit dem Trinken wird das selbstverständlich etwas länger dauern. Der Drink war aber auch schon eine ganze Weile eher auf der Welt als die Zigarette dazu. Aber daß er am Ende wohl trotzdem den gleichen Weg gehen wird: Das ist spätestens seit 2006 abzusehen.
    In jenem Jahr arbeitete der für Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar Markos Kyprianou an einer Anti-Alkohol-Strategie der Europäischen Union. Was er empfahl, waren überwiegend Rezepte, die schon im Kampf gegen den Tabak zur Anwendung kamen: höhere Steuern, Verkaufsbeschränkungen und Werbeverbote. Außerdem, kein Witz, Warnhinweise auf den Flaschen: Trinken schädige

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