Über das Trinken
einen wirklich guten Abend haben will. Oder einen schmerzfreien Morgen. Das Mischen von verschiedenen Alkoholika kann da in jeder Hinsicht Beeindruckendes bewirken. Über den Kater reden wir später. Reden wir hier erst einmal über die Feier. Reden wir über die Herausforderung, an Bord zu bleiben. Und zwar ohne illegale Hilfsmittel. Mit Kokain in der Nase kann jeder endlos weiterfeiern. Wer dagegen konventionell trinkt, wird irgendwann müde, und wenn es am schönsten ist, muß er leider gehen.
Die entspannende und entgrenzende Wirkung des Alkohols macht die Leute tatsächlich zu einer Art Brei, sie beginnen amöbenhaft zu zerfließen, und dann braucht es etwas, das sie wieder in Form bringt. Und damit es sie nicht aus dem Flow der Feier herausreißt, indem es sie nutzlos nüchtern macht, empfiehlt sich die Kombination aus beidem.
Erstaunliche Dinge sind auf diese Weise schon erfunden worden. Der Espresso-Martini zum Beispiel, den es nur bei Bartendern gibt, die sich ihrer Sache sicher sind. Die also kein ästhetisches Problem damit haben, Wodka und Vermouth zusammenzurühren – und dann einen doppelten Espresso hineinzukippen. Es kostet tatsächlich etwas Überwindung, das herunterzuschlucken. Aber wer es je getan hat, der raste danach so unermüdlich
durch den Abend wie der Duracell-Hase durch die Fernsehwerbung.
Oder jenes »Hildegard-Knef-Gedenk-Gedeck«, das sie in der Berliner Victoriabar servieren: ein reizendes kleines Silbertablett, darauf zwei kleine Gläser: ein Mundvoll Wodka, ein Mundvoll Champagner. Es heißt, »die Knef« habe einst in ihrer divenhaften Art nach etwas verlangt, das ihr mal richtig Beine mache. Man kippt erst den Wodka, dann den Champagner und hat, in nur zwei Schlucken, ein Gefühl, wie wenn in einem Sportwagen der Turbo zugeschaltet wird: Man ist mit einemmal wieder total da – und gleichzeitig hat man sich ein gehöriges Stück weiter weggeschossen.
Trinken, ohne einen Kater zu haben, ist ein Versprechen, mit dem einem die Religionen ihr Paradies schmackhaft machen wollen. Trinken, ohne betrunken zu werden, ist ein unredliches Ziel und Zeichen von Alkoholismus.
Aber ein Trinken, welches das erste Anfluten des Rausches den Abend über als Grundstimmung hält, ein Trinken, das die Euphorie der ersten ein, zwei Stunden nicht in die Dumpfheit, die Schwere, die Aggression oder das Gejammer umkippen läßt, sondern als Heiterkeit möglichst bis zum Ende hin streckt: Das hingegen wäre mal ein Ideal, an dem zu arbeiten sich lohnte.
Trinken als Sport!
Aber nicht im Sinne von: Wer schafft am meisten?
Sondern: Wer kommt am weitesten?
Trinken als Sport im Sinne von: Surfen! Ein Gleiten auf der eigenen Beschwingtheit. Ein Tanz auf den Punkten, an denen es zu kippen droht. Am Ende langsam und elegant wieder an Land kommen. Ein Wasser hinterher. Oder eine Tasse Tee. Und dann ins Bettchen.
So in etwa. Das wäre doch was.
Nun noch ein Wort zum Kater: Ja!
Kingsley Amis empfiehlt in dem entsprechenden Kapitel von »On Drink«, man solle sich glücklich schätzen, wenn es einem am nächsten Morgen dreckig geht. Denn wenn es einem nicht dreckig ginge, dann hieße das, daß man immer noch betrunken sei. Und daß das noch vor einem liege, was man jetzt schon an Alkoholabbau, Kopfschmerzen und alldem hinter sich habe.
Von all den Empfehlungen, die es zur Behandlung eines Katers gibt, ist das sicher die gescheiteste: ihn einfach bejahen. Man hat, erstens, ohnehin keine Alternative. Zweitens ist der Kater besser als sein Ruf. Das einzige, was man ihm vorwerfen kann, ist sein Name. Der Kater, heißt es immer, ist eine alte Verballhornung von »Katarrh«, also Halsschmerzen.
Andere Sprachen sind da, was die Symptomatik und die Metaphorik betrifft, wesentlich genauer. Die Franzosen haben, wenn überhaupt, mal aux cheveux – Schmerz in den Haaren. Die Italiener haben un cerchio
alla testa – einen Ring um den Kopf. Wer Englisch spricht, hat einen hangover – ein Überbleibsel. Und die Spanier haben eine resaca – eine Brandung. Das gefällt mir besonders, weil einem das sofort die zwangsläufige Abfolge von Ebbe und Flut vor Augen ruft – sowie die alte Weisheit, wonach sich die Zeit, die im Rausch gerafft wurde, während des Katers extra lang macht.
Man muß das aber gar nicht unbedingt als Strafe sehen. Es gibt Leute, die behandeln ihren Kater nicht anders als einen Muskelkater: als Beurkundung von Geleistetem. Sie sind gewissermaßen stolz darauf und
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