Über das Trinken
Glööcklers Erscheinung lustig, ich persönlich halte ihn für einen Ein-Mann-Christopher-Street-Day; ein wirkungsvollerer Kurzschluß zwischen dem ländlichen Homeshopping-Proletariat und der Welt der Fummeltrinen ist mir jedenfalls noch nicht untergekommen.
Wer aber nun gedacht hatte, seine Aufgabe wäre es, im Rahmen dieser Fernsehsendung, eingemauert zwischen den beiden bayrischen Heterotrinkern, dem Prosecco ein schrilles Loblied zu singen: Der traute bald seinen Ohren nicht mehr.
»In den Giftschrank damit!« schrie der Modeschöpfer und meinte das Bier, von dem der Brauer eben noch behauptet hatte, daß es nie im Leben eine Droge sei. Als Zuschauer brauchte man eine Weile, um zu begreifen, daß da keinerlei Ulkigkeit im Spiel war, kein abgeknicktes Handgelenk, keine Pose, kein Getue. Es war ihm bitterer Ernst: Glööcklers Vater war offenbar starker Trinker gewesen, schon morgens Bier, mittags Schnäpse, abends Schläge. Am Ende hatte er, so stellte es Glööckler in der Sendung jedenfalls dar, wohl sogar seine Frau, Glööcklers Mutter, umgebracht.
Gegen so etwas kommt natürlich kein Trinkerhumor mehr an, nicht einmal der von Wolfgang Völz. Die Sendung ging dann weiter mit zwei trockenen Alkoholikern. Ein Richter, der geglaubt hatte, es merke keiner, wenn er heimlich Bierbüchsen im Schreibtisch stapelt. Und eine Mutter, die auch während der Schwangerschaft durchgesoffen hatte. Die gelegentlichen Kommentare des Schauspielers und des Brauers klangen dazwischen so deplaziert wie Rülpser.
Da saßen also zwei Suchtkranke, für die jeder weitere Schluck der sichere Weg ins Verderben gewesen wäre.
Ihnen gegenüber saß der Brauer, der das Bier zu einer Art Faßbrause verniedlichte. Dann der Schauspieler, der den Alkohol gar nicht mehr zu merken schien, weil er so daran gewöhnt war. Und schließlich Harald Glööckler – der mit seinen Ansichten als einziger seinen Führerschein wiederbekommen hätte, wenn diese Runde bei einem sogenannten Idiotentest angetreten wäre: Trinken ja – aber in Maßen und im Bewußtsein der Gefahren …
Aus dem Mann sprach die reine Stimme der Vernunft. Zum Glück klang sie dabei aber so aufgekratzt und affektiert, als würde sie in Wahrheit das Gegenteil verkünden. Da war sie nämlich wieder, die uralte Mahnung zum »richtigen Maß«, zur »guten Mitte«, zur »aurea mediocritas«, die die Menschheit schon seit Horaz, seit Cicero, eigentlich sogar seit Aristoteles langweilt und zugleich überfordert. Denn wer aus lauter Angst, darüberzuliegen, immer nur darunter bleibt, der wird das richtige Maß nie kennenlernen. Man muß ihn schon, wie Glööckler, im Gestus grundsätzlicher Angeschwipstheit vortragen, damit dieser fade Gedanke Glanz gewinnt.
Aber, wer weiß, vielleicht wäre das ja genau die Haltung, die man propagieren sollte.
Abstinenz ist es jedenfalls nicht. Abstinenz ist viel zu gefährlich.
IV. Warum Abstinenz keine Lösung ist – oder: Wie besteht man einen Idiotentest?
Trinken und Autofahren · Der Führerscheinverlust · Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung als Genußsteigerung · Und wie man sich darauf vorbereitet · Trinkgeschichte aufarbeiten · Alkohol berechnen · Warum torkeln besser ist als nüchtern tun · Es nie wieder dazu kommen lassen · Für bessere Taxis!
»Abstinenz ist kein kontrolliertes Trinkverhalten.«
Das ist die offizielle Formulierung für: Wer trinkt, hat ein Problem – wer nicht trinkt allerdings auch.
Der Autor darf zum Glück von sich sagen, daß er kein Alkoholproblem hat. Das hat er sogar schriftlich. Von einer diplomierten Verkehrspsychologin, die ihn dafür einem langen, harten Verhör unterzogen hat.
Es war das, was die Fachleute die »Medizinisch-Psychologische Untersuchung« nennen und der Volksmund den »Idiotentest«. Wer ihn hinter sich hat, vermeidet den Begriff natürlich. Es ist damit wie mit dem Aids-Test: Da möchte auch keiner von sich sagen, er hätte ihn »bestanden«. Sprechen wir also lieber von »durchkommen«. Die meisten kommen übrigens nicht durch. Rund 250 Autofahrer verlieren in Deutschland ihren Führerschein, weil sie unter Alkoholeinfluß am
Steuer saßen – 250 pro Tag! Und das sind nur die, die erwischt werden.
Ein großer Teil davon muß dann in einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, kurz MPU, ermitteln lassen, ob er würdig ist, ausnahmsweise doch noch einmal eine Fahrerlaubnis erteilt zu bekommen. Fast zwei Drittel scheitern allerdings und fahren für
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