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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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wusste ich schon, bevor ich nach Schweden abgereist bin. Aber ich habe eine echte Neuigkeit für dich: Die Familie Warmbold hat einen Sohn, der gern Trollinger trinkt und eine Frau liebt, die er auf dem Müllplatz gefunden hat.«
    Während der Mann aus Holland und die zwei älteren Kinder sich an einem Nudelsalat labten, öffnete die Frau ihre Bluse und legte den Säugling an die Brust. Marder war das peinlich, er kam sich vor wie ein Voyeur. Die junge Frau drehte sich nicht einmal zur Seite, es war ihr offensichtlich egal, ob jemand die Mahlzeit ihres Kindes beobachtete.
    Marder startete sein Auto, schloss die Seitenfenster und stellte die Klimaanlage auf die höchste Stufe. Als er den Parkplatz verließ, sah er im Rückspiegel, wie ein altes Auto die Parklücke besetzte, die er gerade frei gemacht hatte. Es war ein Oldtimer, ein richtig alter aus der Vorkriegszeit, oben offen, so einen, wie ihn Marder immer gern gehabt hätte. Aber da er sich das nicht leisten konnte, hatte er nie ernsthaft darüber nachgedacht, sich ein solches Meisterwerk anzuschaffen.

Kapitel 1 5
    Es war ein langer heißer Tag auf der Straße gewesen. Durch drei Länder war er gefahren: Schweden, Dänemark, Deutschland. Marder war erleichtert, wieder zu Hause zu sein. Jörg Warmbolds Trollinger und die Diskussion über den Sinn des Lebens schienen weit weg – in einer Welt ohne Hitzewelle, hoch im Norden Europas. Marder wusste, er würde schlecht einschlafen können, auch wenn er todmüde war. Er fragte seine Frau, ob sie Lust auf einen Spaziergang in der Finsternis hätte, ein Stück ins Alte Land gehen, zwischen Apfelbäumen und Kirschplantagen, entlang der Entwässerungsgräben, über die er vor sechzig Jahren mit anderen Kindern gesprungen war, wenn sich das erste Eis des Winters darauf gebildet hatte. Wer zuerst einbrach, hatte verloren, es kostete den Verlierer nichts außer nassen Füßen.
    Der Weg durch die Dunkelheit erinnerte ihn an die Zeit, als er mit einer Jugendgruppe die Sommerferien in Zeltlagern verbracht hatte. Zu den Höhepunkten gehörten Nachtwanderungen mit funzligen Taschenlampen. Damals kam ihm die Nacht bedrohlich vor, heute war er zu abgeklärt, um Angst vor der Dunkelheit zu haben, vor allem, wenn seine Frau dabei war. Nach zwei Stunden, in denen Iris und er kaum sprachen, nur die kühle Nachtluft genossen und den eigenen Gedanken nachhingen, kehrten sie für einen GuteNacht-Schoppen in ein bayrisches Bierlokal ein, das aussah wie eine Almhütte und wo die Kellnerinnen Dirndl trugen. Das passte überhaupt nicht in das flache Land an der Unter elbe, noch weniger die Speisekarte mit Knödeln, Schweinekrustenbraten, Sauerkraut und Rettich. Aber gerade wegen dieser Exotik war die Gaststätte ein Anziehungspunkt für viele Bewohner der Umgebung. Die Decken auf den Tischen und die Papierservietten waren weiß-blau kariert, es roch nach kaltem Rauch und heißen Haxen.
    Es war kurz vor Mitternacht, die meisten Gäste hatten sich bereits auf den Weg nach Hause begeben. Die Bedienung machte den Eindruck, als würde sie den Laden gern schließen. Marder und Iris setzten sich an die Theke, auf die gleichen beiden Barhocker, die sie bevorzugten, wenn sie hier einmal im Jahr einkehrten.
    »Nun erzähl mal«, forderte Iris ihren Mann auf.
    Marder berichtete, was er in Schweden erlebt hatte, versuchte sich an jedes Detail zu erinnern. Er hörte seinen eigenen Worten aufmerksam zu. Während er sprach, spürte er, wie erschöpft und enttäuscht er war. Er hatte nicht viel über Vera und Volkert herausgefunden, was er vorher nicht gewusst hatte, und dem Kern der Fragen um Veras Verschwinden war er nicht entscheidend näher gekommen.
    »Die Frage, mit der alles anfing, ist, warum Vera Matuschek nicht wie gewöhnlich nach zwei oder drei Tagen nach Hause zurückgekommen ist, wie sie es normalerweise tut, wenn sie verreist«, erklärte er. »Ich habe herausgefunden, dass sie mit Volkert befreundet ist, ich weiß, dass die beiden in einem Haus in Schweden Ferien gemacht haben, ich weiß darüber hinaus, dass sie nach einer Woche wieder abgereist sind. Aber sie sind nicht zu Hause angekommen, und ich habe keine Ahnung, wo ich sie suchen soll. Ich habe festgestellt, dass sie das Ferienhaus in Unordnung zurückgelassen haben und dass Volkert sein Handy verloren hat. Außerdem weiß ich, dass Volkert geschieden ist und dass Vera nicht mehr Tennis spielt, sondern regelmäßig ins Wellness-Studio geht. Was das alles zu bedeuten hat, oder ob es

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