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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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nicht mitbekommen und bin mit dem Boot weitergetrieben. Als er dann nicht wieder auftauchte, bin ich zu der Stelle zurückgerudert, wo er ins Wasser gesprungen war. Da habe ich ihn direkt unter der Wasseroberfläche mit dem Gesicht nach unten treiben gesehen. Erst dachte ich, er guckt sich die Szenerie unter Wasser an. Nach einer Weile wurde ich nervös und habe ihm zugerufen, er solle mit dem Tauchen aufhören, aber er hat nicht reagiert. Da habe ich mir zum ersten Mal richtige Sorgen gemacht, und als ich ihn angefasst habe, habe ich bemerkt, dass er sich nicht bewegte. Da habe ich ihn umgedreht und festgestellt, dass er nicht mehr geatmet hat. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und bin in Panik geraten. Schließlich habe ich versucht, ihn ins Boot zu ziehen, aber das war unmöglich, weil dabei das Boot ein paar Mal fast umgekippt wäre. Schließlich habe ich seinen Körper mit einem Seil festgebunden und bin mit ihm im Schlepp zum Steg zurückgerudert.«
    »Warum haben Sie nicht sofort die Polizei oder den Notarzt angerufen?«
    »Auf dem Boot konnte ich das nicht, wir hatten ja sein Handy nicht dabei. Als wir endlich an Land waren, war Volkert bereits fast eine Stunde tot und sein Gesicht war schon blau angelaufen. Bis irgendjemand zum Haus gekommen wäre, wäre mindestens noch eine Stunde vergangen. Ich wusste, dass das alles sinnlos sein würde, ich war verzweifelt und ganz außer mir.«
    Marder fragte sich, wie sie so sicher gewesen sein konnte, dass Volkert nicht mehr zu helfen war. Dennoch, Vera hatte vermutlich recht, wenn tatsächlich alles so abgelaufen war, wie sie es beschrieb.
    »Bitte erzählen Sie weiter«, forderte er Vera auf.
    »Ich habe Volkert ins Haus geschleppt und ihm seine Kleidung angezogen, in Badehose kam er mir irgendwie unwürdig vor. Dann habe ich versucht, mir darüber klar zu werden, was ich als Nächstes tun sollte. Ich war schließlich in einem fremden Land, und ich wollte dort nicht mit einer Leiche aufgefunden werden. Ich hatte Angst, dass man mich ins Gefängnis stecken würde, bis die Todesursache von Volkert geklärt war, und wer weiß, wie lange das gedauert hätte. Ich hatte Angst, dass mich die Polizei als Mörderin verdächtigen könnte.«
    Vera hatte wieder Kontrolle über sich gewonnen. Sie sah nicht mehr wie die gebrochene alte Frau aus, die sie vor einigen Minuten gewesen war. Vielleicht hatte sie sich daran aufrichten können, dass sie zum ersten Mal die Geschichte um den tragischen Tod von Volkert erzählen durfte. Marder wartete auf den Rest des Berichts.
    »Ich glaube, ich brauche erst einmal etwas zu trinken, bevor ich weitermachen kann. Es nimmt mich sehr mit, die Einzelheiten von Volkerts Tod zu beschreiben. Möchten Sie auch etwas?«
    Vera hatte sich ausreichend erholt, dass ihr die Pflichten einer Gastgeberin wieder einfielen.
    »Nein danke«, lehnte Marder ab. »Ich möchte nur, dass Sie weitererzählen.«
    Bevor sie das tat, stand sie auf, ging in die Küche und holte sich ein Glas Orangensaft. Aus ihrer alkoholischen Hausapotheke goss sie eine goldbraune Flüssigkeit in den Saft – was es war, konnte Marder nicht erkennen.
    »Ich habe dann Volkerts Körper in dem Kofferraum seines Autos verstaut. Wie ich die Kräfte dazu aufbringen konnte, weiß ich heute nicht mehr. Es war inzwischen schon spätabends und dunkel. Ich war danach so erschöpft, dass ich praktisch auf dem Bett zusammengebrochen bin. Nach einigen Stunden bin ich wieder aufgewacht und habe angefangen, alle Sachen, die uns gehörten, zusammenzusammeln und ins Auto zu bringen. Einerseits wollte ich nichts liegen lassen, andererseits musste ich mich beeilen, denn wir hatten ja für diesen Tag die Rückfahrt auf der Fähre gebucht.«
    Vera nahm einen Schluck aus ihrem Glas und stellte es auf den Tisch. Marder bemerkte, dass ihre Hände nicht zitterten. »Am späten Abend bin ich in Holzminden angekommen. Ich musste unbedingt dorthin zurück, weil mein Auto dort stand. Ich habe Volkerts Auto beim Hafenbecken geparkt. Zu dieser Zeit – so um elf Uhr nachts herum – war kein Mensch mehr in der Nähe. Ich bin dann in die Stadt gegangen und habe mein Auto geholt. Dann habe ich meine Sachen aus Volkerts Wagen umgeladen und habe Volkert auf den Vordersitz gesetzt und angeschnallt, weil ich nicht wollte, dass er heraus
    geschwemmt würde, falls sich beim Sturz ins Wasser eine Tür öffnen sollte. Dann habe ich sein Auto ganz vorsichtig mit meinem angeschoben, bis es über die Kaimauer ins Wasser

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