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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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hier, sondern wegen Herrn Volkert.«
    Vera Matuschek kämpfte um ihre Fassung. Das gelang ihr besser, als Marder es erwartet hatte.
    »Volkert? Volkert? Helfen Sie mir. Den Namen habe ich zwar schon gehört, kann ihn im Moment aber nicht richtig einordnen.«
    »Ich meine den Volkert, der Ihr Liebhaber war, mit dem Sie in Schweden an einem See Ferien gemacht haben.«
    So drastisch hatte Marder in seinen Jahren als Kriminalkommissar selten einen Menschen altern gesehen. Falten des Erschreckens und der Angst gruben sich von einer Sekunde auf die andere in das Gesicht von Vera Matuschek. Sie schien kleiner geworden zu sein, ihr Körper bog sich nach vorn, sie war plötzlich eine alte Frau. Sie gab sich keine Mühe, etwas zu sagen. Wenn sie es versucht hätte, wäre es ihr wahrscheinlich nicht gelungen. Marder fasste sie am Arm und meinte: »Ich glaube, es ist besser, wir gehen ins Haus.«
    Vera ließ sich widerspruchslos von Marder hineinführen. Sie war bleich, alle Kraft schien aus ihrem Körper gewichen. Er setzte sie in einen Sessel und wartete. Vera Matuschek brauchte Zeit, um sprechen zu können, er wollte ihr jedoch nicht zu viel davon gönnen, damit sie nicht nachdenken konnte. Sie war offensichtlich in einem aufgewühlten Zustand, darauf hatte er von Anfang an spekuliert, nun musste er die Situation nutzen, um die Wahrheit auszugraben.
    Langsam kehrte Farbe in Vera Matuscheks Gesicht zurück.
    »Frau Matuschek, die Polizei in Holzminden hat das Auto von Kommissar Volkert in einem Hafenbecken gefunden. Die Leiche von Herrn Volkert war darinnen.«
    Vera Matuschek reagierte nicht. Sie schaute Marder an, als ginge sie das alles nichts an.
    »Frau Matuschek, haben Sie mich verstanden? Ich habe gesagt, die Polizei hat das Auto von Herrn Volkert in einem Hafenbecken in Holzminden gefunden. Was haben Sie dazu zu sagen?«
    Ihre Aufmerksamkeit kehrte zurück. Sie bewegte sich nun bewusster, es schien Marder, dass sie sich leicht aufrichtete. Aber sie erwiderte immer noch nichts. Marder wiederholte seine Frage zum dritten Mal.
    »Ich muss Sie noch einmal fragen, was Sie dazu zu sagen haben, dass wir die Leiche von Herrn Volkert in einem Hafenbecken in Holzminden gefunden haben.«
    »Wieso sollte ich dazu etwas zu sagen haben?«
    »Weil Sie mit Herrn Volkert in Schweden waren. Ich weiß, dass Sie seit der Zeit, als Kommissar Volkert in Barsinghausen war, mit ihm befreundet waren und ihn regelmäßig in Holzminden besucht haben. Ich weiß auch, dass Sie Hals über Kopf mit dem Auto von Herrn Volkert aus Schweden abgereist sind. Ich weiß, dass Sie sich irgendwo versteckt haben, nachdem Sie das Auto mit seiner Leiche im Hafen von Holzminden versenkt hatten.«
    Die letzte Behauptung war nicht tatsächliches Wissen, aber es war die logische Konsequenz aus allem, was er bisher in Erfahrung gebracht hatte. In seinen Berufsjahren hatte er manche Geständnisse bei Vernehmungen dadurch provoziert, dass er Verdächtige mit Wissen bluffte, das in Wahrheit nur eine Vermutung war. Vera stritt nichts ab, sie schwieg, aber es war nun nicht mehr das Schweigen einer zur Sprachlosigkeit erschrockenen Frau, sondern das Schweigen eines Menschen, der sich bemühte, nachzudenken.
    »Herr Marder, es war ein schrecklicher Unfall.«
    »In Schweden oder in Holzminden?«
    »In Schweden.«
    »Bitte erzählen Sie so ausführlich wie möglich, was passiert ist.«
    »Ja, wir waren in dem Haus an dem See. Wir hatten dort eine wundervolle Woche. Zum ersten Mal, seit mein Mann tot ist, war ich wieder glücklich.«
    Marder wusste, dass Vera auch vor dem Tod ihres Mannes alles andere als glücklich gewesen war. Er verzichtete darauf, Vera daran zu erinnern.
    »Wir hatten beschlossen, nach unserer Rückkehr mit der Heimlichkeit um unsere Beziehung Schluss zu machen und uns ganz offiziell als Paar zu outen. So sagt man das heute ja wohl. Dann ist am Abend vor unserer Rückreise dieser furchtbare Unfall passiert, der mir fast den Verstand geraubt hat.«
    »Was ist geschehen?«
    »Wir wollten an diesem Abend zum letzten Mal den Sonnenuntergang auf dem See genießen und sind mit dem Boot hinaus gefahren. Es war ein heißer Tag, und Herr Volkert hatte sich darauf gefreut, noch einmal im See zu schwimmen. Er war so glücklich und übermütig und sprang vom Boot mit einem Kopfsprung ins Wasser. Dabei hat er nicht gemerkt, dass direkt unter der Wasseroberfläche ein Felsen lag. Er muss mit voller Wucht mit dem Kopf auf den Stein aufgeschlagen sein. Das habe ich gar

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