Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
sofort die Stelle in der Lokalredaktion genommen, als man sie mir anbot. Das habe ich nie bereut. Da kommt man zumindest auch mal raus und redet mit echten Menschen. Sich nur über die Fiktionen anderer auszulassen kommt mir immer ein bisschen wie geistige Onanie vor.
»Du willst eine ›Fish-und-Chips‹-Bude aufpimpen? Spinnst du jetzt total? Was hat Martin dir nur angetan? Du hast immer gesagt, dass du im Studium jeden Idiotenjob gemacht hast, nur um nicht kellnern zu müssen! Du hasst es, immer freundliche Miene zu nervigen Gästen zu machen!« Das ist Toni. Sie hat Juli offenbar direkt den Hörer aus der Hand gerissen und brüllt nun entsetzt in den Apparat.
»Deswegen dachte ich auch, also falls ihr in nächster Zeit einen Irland-Aufenthalt plant ...«
Schweigen am anderen Ende.
»Und die ganze Sache hat mit Martin übrigens rein gar nichts zu tun.« Das stimmt natürlich nicht. Aber Toni ist gewissermaßen die Emanzipierte in unserem Team, und ich verkrafte jetzt einfach keinen Vortrag über den langen Kampf der Frauen um mehr Freiheit, die wir nun bloß dafür nutzen würden, unser Leben doch wieder ganz nach den Kerlen auszurichten. Ich sehe sie vor mir, wie sie innerlich Luft holt und unwirsch mit der Hand ihre strubbelige Kurzhaarfrisur noch mehr verwuschelt.
Aber sie schweigt. Na gut, ich würde vielleicht auch nicht sofort nach Irland reisen, um mich dort in eine Frittenbude zu stellen, nur weil mich jemand darum bittet. Nicht mal, wenn dieser Jemand eine gute Freundin wäre.
»Ach, verdammt. Eigentlich würde ich sehr gerne, ich kann nur vorerst keinen Urlaub nehmen. Hier ist einfach
zu viel zu tun. Frag Juli mal. Die muss hier ganz dringend mal raus.«
Toni gibt den Apparat an Juli weiter. Die ist sonst eher zurückhaltend, wenn es um Urlaub geht. Aus der Freiberuflerpanik, alle guten Aufträge würden sofort anderweitig vergeben.
»Mensch, Juli, ich werde deinen Job hier wie meinen Augapfel hüten.« Das ist sehr nett von Toni.
»Die Idee ist gar nicht so schlecht. Um ehrlich zu sein, geht mir Thomas derzeit wahnsinnig auf die Nerven.« Das ist nun wieder Julis Stimme,
»Kein Wunder!« Toni wiehert. »Aber ihr könnt jetzt nicht immer alle nach Irland abhauen, wenn’s in euren Beziehungen mal nicht gut läuft. Zeigt es den Typen!« Wundert es jemanden, dass Tonis Affären eher kurz sind?! Sie heißt übrigens eigentlich Antonia, würde aber jedem eins mit der Bratpfanne überziehen, der sie so nennt. Ach nee, sie hat ja gar keine, sondern brüstet sich damit, dass ihr nicht mal Kartoffeln gelingen.
»Klappe, Toni, ich muss nachdenken.« Juli grübelt. Also habe ich vielleicht eine Chance. Thomas ist ihr in der Tat sehr langweiliger Freund. Er passt überhaupt nicht zu unserer quirligen, fantasiebegabten Juli. Und ehrlich gesagt rätseln wir hinter ihrem Rücken schon die ganze Zeit, wie lange es mit den beiden noch gut geht. Sie erzählt zwar ständig etwas von einem »Gegenpol« – aber eine Schlaftablette kann man ja wohl auch bekommen, ohne sich dafür täglich die Beine zu rasieren, oder? Das alles sagen wir Juli natürlich nicht, weil es gemein ist, Freunden die Partner madig zu machen. Es sei denn, sie hätten so eindeutig schlechte Charaktereigenschaften, dass man fürs gute Gewissen eine dringende
Warnung aussprechen müsste. Das Problem an Thomas ist aber eher, dass er gar keine Charaktereigenschaften hat.
»Ich könnte echt mal Urlaub machen, wofür bin ich denn Freiberuflerin! Und Tanja redet die ganze Zeit davon, den Job im Bioladen zu schmeißen – und ihr Studium auch gleich mit. So eine kleine Auszeit der Neuorientierung könnte ihr ganz gelegen kommen. Die kommt sicher auch mit!«
Wir lachen beide, wenngleich ein wenig schuldbewusst. Tanja ist unsere beste Freundin und wirklich großartig. Nur ihr Berufsleben bekommt sie nicht in den Griff. Mit Anfang 30 hat sie bestimmt schon zehn Studiengänge abgebrochen und mindestens ebenso viele Nebenjobs. Dafür kennt sie sich in der Gastronomie echt gut aus. Vom Veganer-Bistro über die italo-thailändisch-coole Fusion-Lounge bis zu dem indischen Edelschuppen, in dem sie Saris tragen musste, hat sie eigentlich alles durch. Da wird sie eine Fritteuse bestimmt mit links in den Griff kriegen. Genau das, was ich brauche.
»Ja, klar.« Mehr sagt Tanja nicht, nachdem ich auch sie angerufen und auf den neuesten Stand gebracht habe. Das ist so toll an Tanja. Unvoreingenommen wie sie ist, nimmt sie die Menschen und deren Umstände so,
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