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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Beispiel steht »erkennen« doch eigentlich immer für Sex, oder? Das würde passen. Nellie strahlt eindeutig verblühten Sex aus. Aber ich glaube, er meint eigentlich ein poetischeres, tieferes Erkennen. Kann er das mit Nellie erlebt haben? Woher soll ich das wissen! Aber Sex muss es irgendwann auch gegeben haben. Warum sonst sollte er im Brief schreiben: »Es irrt der Dichter, der dachte, erhörtes Sehnen sei weniger süß, als unerhörtes. Erhöre mich noch tausendmal. Erhöre mich immer. Bleibe mir treu.«
    Kaum eine halbe Stunde später plappere ich in mein Handy: »Juli, was haltet ihr von Ferien in Irland? So zwei, drei, am liebsten vier Wochen. Ihr könnt alle bei uns übernachten. «
    Juli lacht. Sie hat aber ja auch keine Ahnung, wie meine letzten Tage verlaufen sind.
    »Hm, erst mal solltest du nach Hamburg kommen. Du hast in zwei Wochen ein Vorstellungsgespräch. Bei ›Schönheit‹. Ich bin ehrlich gesagt total neidisch und habe schon überlegt, ob ich dir gar nichts sage und mich für dich ausgebe.
« Ihre Stimme klingt sehnsüchtig. Ich weiß, warum. Sie ist immer noch freie Journalistin in der Kulturredaktion des »Hamburger Morgen« und träumt – im Gegensatz zu mir – von bunten Magazinen wie »Schönheit«. Deutscher Titel, abgefahrenes Konzept – voll im Trend. Die Zeitschrift behauptet, sich mit allen Aspekten der Schönheit zu beschäftigen und eine echte Philosophie zu haben. Es geht letztendlich aber doch nur um Mode, Make-up, Lifestyle. Nicht, dass ich eine echte Philosophie besser gefunden hätte. Wenn schon Lifestyle, dann doch lieber ohne Botschaft, damit man die Zeitschriften sonntagnachmittags auf dem Sofa schnell durchblättern kann, ohne sich gleich mit dem eigenen Karma zu beschäftigen.
    »Oh, das ist ja super. Danke, Juli.« Das sage ich jetzt, weil man es eben so sagt und alles andere undankbar klänge, wo Juli so ganz aus dem Häuschen ist. Dabei hätte sie sich da auch bewerben können. Aber sie ist – wie wir alle – zu bequem. Außerdem ist es einfach zu angenehm, dass Toni, sie und ich in einem Haus arbeiten und so herrliche Mittagspausen miteinander vertrödeln und zwischendurch am Kaffeeautomaten ausgiebig quatschen können. Da muss der Leidensdruck schon echt groß sein, dass man sich hinsetzt, um nervige Anschreiben voller anbiedernder Lügen zu verfassen. Bei mir war er’s. Irgendwie berührt mich der kleine Erfolg trotzdem gar nicht. Klingt eher wie ein unangenehmer Weckruf der wirklichen Welt. Der Welt, in der man den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt und verdauen muss, dass schon wieder eine Beziehung gescheitert ist. Natürlich kann ich auch nicht den Rest meines Lebens in einem irischen Dorf verbringen und mit einem Haufen verschrobener, alter Knacker vor dem Kamin abhängen. Andererseits
würde das endlich Ruhe von jeglichen Liebeswirren mit sich bringen. Und es würde ein langes einsames Altern bedeuten, denn die hier ansässigen Jungs und Mädels würden lange vor mir verscheiden. Selbst wenn mich Seamus zwischenzeitlich mit einem quietschfidelen 90-jährigen Schafzüchter verkuppelt hätte.
    »Und leider hast du lauter Absagen von den Tageszeitungen. Aber hey, wenn ich die Wahl hätte, würde ich immer das Magazin wählen.«
    Die Absagen zumindest müssten mich jetzt eigentlich treffen. Tun sie aber nicht. Ich hatte mich ja auch deswegen bei zumindest einem einzigen Magazin beworben, weil die Tageszeitungen gerade dabei sind unterzugehen und eher Stellen streichen, als neue zu schaffen. Ein Umstand, den auch Juli zu spüren bekommen hat, als sie ein halbes Jahr nach Toni und mir mit ihrem Volontariat fertig war. Da gab es dann nämlich keine Festanstellungen mehr.
    »Tut mir leid«, sagt Juli zerknirscht. »Aber ›Schönheit‹ ist zumindest in Hamburg. Dann musst du nicht wegziehen.«
    O.k., die echte Welt hat auch ihr Gutes. Es gibt darin Juli, Tanja, Peter und Toni. Dennoch, im Moment zieht mich so gar nichts nach Hamburg.
    »Ich komme natürlich. Aber selbst wenn sie mich nehmen, werde ich ja wohl kaum vor April anfangen. Ich glaube bis dahin werde ich dann hierbleiben.«
    »Bist du denn schon weitergekommen?«
    Ich bringe Juli schnell auf den neuesten Stand. Und Juli bringt ihrerseits Toni auf den neuesten Stand, die offenbar direkt hinter ihr steht. Die beiden arbeiten zusammen in einem Büro: Toni ist die Literaturredakteurin, und Juli bespricht überwiegend Kinofilme. Ich hingegen habe mich für
Geschichten aus dem wahren Leben entschieden und

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