Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
wie sie eben sind. Sie findet es kein bisschen bedenklich, einen Imbiss in Irland für Leute aufzupolieren, die man kaum kennt. Und das auch noch in der absoluten Gewissheit, dass es diesen Leuten kaum weiterhelfen wird. Eine recht aufwändige kleine Geste der Sympathie.
»Und Hrithik? Meinst du, den sollte ich auch fragen?«
Hrithik ist ein weiterer Freund von uns. Ein Anwalt mit indischen Wurzeln und dem Aussehen eines Bollywood-Stars.
Er ist sehr nett, aber enger mit Tanja und Toni befreundet als mit mir. Mir ist sein Zahnpastareklame-Lächeln etwas suspekt. Aber ausschließen will ich ihn nun auch nicht.
»Nein, ich glaube nicht. Der ist im Moment so eingespannt, dass selbst wir ihn überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen.« Sie klingt enttäuscht. Insgeheim vermute ich schon lange, dass sie ein wenig in ihn verknallt ist. Er strahlt bei allem Charme eine gewisse Unnahbarkeit aus – genau der Richtige, um alle romantischen Fantasien unserer verträumten Tanja anzuheizen.
»Soll ich stattdessen Peter fragen? Nur damit wir herausfinden, ob irgendwelche Geistesgrößen auch schon über Essig-Fisch philosophiert haben?« Tanja lacht.
Die Frage ist berechtigt. Peter ist wirklich nicht sehr praktisch veranlagt. Er arbeitet als philosophischer Berater. Ob und wie viel Geld er damit wirklich verdient, haben wir bislang nicht rausgefunden. Unbestritten ist, dass sein verschrobenes Hirn den größten Zitatenschatz hütet, den man sich nur denken kann. Der wäre sicher beleidigt, wenn wir ihn nicht fragen. Nachdem ich ihn angerufen und von ihm ein Jawort (zumindest glaube ich, dass seine kryptische Antwort »Ein Abenteuer passiert dem, der es am wenigsten erwartet«, eines war) bekommen habe, bin ich richtig glücklich. Es wird herrlich, mit den Dreien hier zu sein. Da ist man doch gleich viel zuversichtlicher. Wenn ich schon untergehe, will ich mit Pauken, Trompeten und meinen Freunden an meiner Seite untergehen. Nur schade, dass Toni nicht dabei sein kann.
Die kommenden anderthalb Wochen plätschern angenehm dahin. Ich habe die Zuckermann-Geschichte vorerst auf Eis gelegt und beschlossen mich einfach so richtig gehen zu lassen – bis zu meiner Rückkehr nach dem Vorstellungsgespräch. Mein Vater und ich hängen gemütlich lesend vor dem Kamin rum und besuchen von Zeit zu Zeit das Anwesen, um dort Tee, Wein und die leckeren Zimtkuchen von Teresa zu verputzen. Henry, Violet, Moira und Teresa lassen sich ihre sorgenvolle Stimmung kaum anmerken. Und mein Vater und ich tun auch so, als wäre überhaupt nichts passiert, weil wir das Gefühl haben, Mitleid würde ihren Stolz verletzen. An meinem vorerst letzten Wochenende auf der Insel habe ich mich so sehr an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, abzureisen.
Am Sonntag vor dem Abflug besucht uns Moira. Sie hat Colin im Schlepptau und ich werde sofort knallrot. Denn natürlich gehen mir die Bilder unserer letzten Begegnung durch den Kopf.
»Steht dir«, sagt er mit einem entspannten Lächeln.
Er deutet auf die Klamotten meines Vaters. Ich habe nicht mal bemerkt, dass ich die trage. Ich bin wirklich nachlässig geworden.
»Ich passe mich eben der Umgebung an.« Ich versuche das nicht schnippisch, sondern charmant klingen zu lassen und deute auf seine eigenen Klamotten. Er trägt fast das Gleiche wie ich, nur dass ihm seine Kleidung passt und er viel besser darin aussieht.
»Wir sind gekommen, um das Dach zu reparieren«, sagt Moira bestimmt.
»Sie meint, sie wird mich herumkommandieren und sich
von dir dazu einen Tee bringen lassen«, ergänzt Colin und sieht seine Tante liebevoll an.
Moira lacht kehlig. Irgendwie traut man ihr zu, dass sie notfalls ein Dach auch kurzerhand eigenhändig reparieren würde. Man übersieht schnell, wie zart sie eigentlich ist, weil sie sich immer so robust gibt.
Moira und Colin könnten genauso gut Mutter und Sohn sein, auch weil sie beide diese intensiv blauen Augen haben. Schade, dass Moira keine Kinder hat.
Colin holt das Werkzeug aus seinem Auto und lässt sich von mir den Weg auf den Dachboden zeigen, während Moira meinem Vater in der Küche Gesellschaft leistet.
Durch eine Luke klettert Colin nach oben und ich folge ihm neugierig. Ehe ich es mich versehe, sitze ich mit ihm auf dem Dach und plaudere ganz fröhlich, während er mir gegenübersitzt und versucht, eine Lücke im Reetdach abzudecken. Man würde nie daran zweifeln, dass er mit Moira und Henry verwandt ist. Er hat den gleichen
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