Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Fällen nie, was zu tun ist. Soll man etwas trostreich Vernünftiges sagen, den anderen einfach nur umarmen und plärren lassen oder sich taktvoll zurückziehen? Keine Ahnung. Instinktiv würde ich
ihr auch gerne die Hand auf die Schultern legen. Ich mag sie ja eigentlich. Und ich wäre sicher verrückt nach ihr und ihren leckeren Häppchen, wenn ich nicht zufällig das Gefühl hätte, sie hätte es auf meinen Vater abgesehen. Oh, das ist sicher der Grund, aus dem sie bei uns sitzt und unseren Esstisch in das Tote Meer verwandelt. Er hat ihr gerade eine Abfuhr erteilt. Schlimme Sache! Mit unerwiderter oder zumindest sehr eigentümlich erwiderter Liebe kenne ich mich aus! Aber in ihrem Alter muss sie doch wissen, dass es zu nichts führt, sich an verheiratete Kerle ranzuschmeißen, oder? Und ich bin mir sicher, mein Vater war sehr einfühlsam. Kann sie es nicht einfach so machen wie ich: Schultern hoch, erhaben lächeln und zuhause heulen? Unauffällig möchte ich mich wieder aus dem Zimmer schleichen. Aber da hat Teresa mich schon entdeckt. »Hallo, Louisa«, presst sie hervor.
Ihr verunglücktes Lächeln ist herzzerreißend und zum Teil von zerlaufener Wimperntusche bedeckt. Bitte! Ich will mit den peinlichen Liebesverwirrungen der Elterngeneration wirklich nichts zu tun haben. Einfach abzuhauen, wäre aber sehr unhöflich, deswegen lasse ich mich neben dem traurigen Duo in einen Stuhl fallen. Ich verkneife mir die naheliegende Frage, was denn eigentlich los sei, so konsequent, dass Teresa von alleine anfängt zu reden.
»Ich mache mir Sorgen um Henry und Violet. Moira wird immer irgendwie klarkommen. Aber es wird ihr trotzdem das Herz brechen. Es ist doch das Elternhaus.«
Ich verstehe nur Bahnhof. Aber, verdammt, mein Vater legt nun doch seine Hand auf Teresas. Sie lächelt ihm dankbar zu. Meine Hand umklammert derweil das Frühstücksmesser, das immer noch an meinem Platz liegt. Vielleicht
ramme ich es einfach durch die ineinander verschlungenen Hände?
»Teresa, vielleicht gibt es ja doch noch einen Ausweg.«
»Ich versuche seit ewigen Zeiten, die beiden zu überreden dieses riesige Haus konsequenter zu vermarkten. Aber die sind einfach alle nicht von dieser Welt.«
Teresa schluchzt wieder.
»Tut mir leid. Ich muss los.«
Zum Abschied umarmt sie meinen Vater und danach auch noch mich so fest, dass mir etwas schwindelig wird. Vielleicht schwirrt auch nur mein Kopf ein wenig. Worum geht es hier eigentlich?
Doch Teresa ist schon verschwunden und hat mich und meinen Vater in einer dezenten Wolke von »Dior Chérie« zurückgelassen.
»Papa?«, frage ich, als wir uns wieder hingesetzt haben. Mein Papa weiht mich in den Grund von Teresas Tränenmeer ein, und es ist tatsächlich fürchterlich: Henry und Violet sind offenbar kurz davor ihr Haus zu verlieren, weil sie sich den Unterhalt nicht mehr leisten können. Sie haben schon alles versucht. Die Nummer mit dem Bed & Breakfast und der Frittenbude als Lockmittel für hungrige Wanderer hätte vielleicht sogar funktionieren können. Dummerweise hatten sich Sir Henry und Violet damit begnügt ein Schild aufzustellen, auf dem »Bed & Breakfast« zu lesen war, einen indischen Sternekoch an die Fritteuse gestellt und darauf gewartet, dass die Leute von allein kommen. Das war also mit dem »mangelnden Geschäftssinn« gemeint, von dem Moira gesprochen hatte. Aber dass die Lage so dramatisch ist, hat keiner von ihnen erwähnt. Es klang so, als seien diese Experimente alle nicht
mehr als ein kleiner Jux zur eigenen Unterhaltung gewesen.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommen meine eigenen Tränendrüsen in Fahrt. O.k., ich kenne die verrückten, alten Herrschaften noch gar nicht richtig. Doch eines ist sogar mir vollkommen klar: Sie gehören in dieses Haus. Ich kann sie mir an gar keinem anderen Ort vorstellen. Und sie sind so reizend, dass sie alles Glück der Welt verdient haben.
»Ich muss irgendetwas für Henry tun. Er ist so nett«, schließt mein Vater bestürzt und gibt damit im Grunde meinen Gedankengang wieder – nur dass ich mehr an die Frauen gedacht habe. Er hat absolut Recht! Es muss etwas passieren. Aber was können wir schon tun?
»Ich muss endlich die Fish-und-Chips-Bude eröffnen.« Er haut auf den Tisch, und ich zucke erschrocken zusammen – wegen des heftigen Geräuschs, aber auch wegen der heftig absurden Idee. Dass man mit Fritten kein Herrenhaus unterhalten kann, muss meinem Vater doch wohl klar sein. Selbst für meine bloß
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