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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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warmen Witz. Er nimmt einen auf die Schippe, ohne dass man sich vorgeführt fühlt. Ich vergesse sogar beinahe, dass unser Kennenlernen nicht ganz optimal verlaufen ist. Er hat die tollsten Geschichten über die Dorfbewohner parat. Und manchmal, wenn er lacht zum Beispiel, finde ich ihn sogar richtig hübsch. Ich schätze ihn auf Ende 30. Er hat bestimmt keine Frau oder Freundin, vergebene Männer senden andere Schwingungen aus. Was das angeht, aber auch leider nur da, funktioniert bei Männern mein Bauchgefühl. Im Gegensatz zu manch anderer Freundin ist es mir noch nie passiert, dass ich mich Hals über Kopf in einen Typen verknalle, dem erst nach Wochen fröhlichen Dauerknutschens einfällt, dass er ja schon eine Freundin hat. Ihr Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom
müssen die Jungs ohne mich bekämpfen! Kein Wunder, dass Toni in Männern kaum mehr als widerliche Schwächlinge sieht. Ich neige trotzdem nicht zu solchen Pauschalurteilen und frage mich deshalb, wieso ein reizender Mann wie Colin solo durch die Welt läuft? Ich tippe, er ist der Typ, den die Studentinnen heiß finden, ohne dass er selbst es je bemerken würde. Ich habe mir früher immer Geschwister gewünscht – und ich glaube, hätte ich mich für einen großen Bruder entscheiden dürfen, hätte ich jemanden wie ihn genommen. Er hätte mich ganz sicher vor den dandyhaften Lebemännern beschützt, zu denen ich mich offenbar hingezogen fühle.
    »Und war Seamus wirklich so erfolgreich als Heiratsvermittler wie er immer behauptet?«
    »Du wirst es nicht glauben, aber das war er tatsächlich. Er hat 80-jährige Milchbauern mit 40-jährigen Städterinnen verkuppelt und protestantische Pfarrer, die sich Heilige gewünscht hatten, mit kettenrauchenden, trinkfreudigen Landmädchen. Und die Ehen sollen äußerst haltbar sein. Er hat angeblich wirklich ein Gespür für so etwas. Seine ganze Wohnung ist voll von Babyfotos seiner Klienten.«
    »Warum ist er dann selbst nicht verheiratet?«
    »Nun ja, er hat einen Freund in Dublin.«
    »Aber er ist doch katholisch?«
    Daraufhin lacht Colin so schallend, dass er beinahe vom Dach fällt.
    »Was hat das denn damit zu tun? Oder glaubst du, Katholiken haben kein Sexualleben, oder wenn, ein heterosexuelles und rein eheliches, das erst am Traualtar beginnt?«
    Genau das habe ich mir wohl gedacht, ohne es wirklich zu denken, weil ich überhaupt noch gar nicht darüber nachgedacht
habe. Ich bin vor kurzem aus der Kirche ausgetreten, weil ich mal kurz angefangen hatte, über den Glauben nachzudenken und schnell festgestellt hatte, dass ich eigentlich nicht glaube. Es erscheint mir logischer, dass dieses ganze Chaos durch einen riesigen Knall entstanden ist, als durch die eingehende Planung einer göttlichen Hand.
    »Was machst du eigentlich in Dublin?«
    »Ich bin Dozent. Fachbereich Mythenforschung.«
    Ein Wunder! Ich grüble und grüble über diese verdammten Gedichte, und der Mann, der mir weiterhelfen kann, sitzt mir direkt gegenüber. Zu schade, dass er der Neffe von Moira und Henry ist. Andererseits: Ich will den beiden ja nicht schaden. Also kann ich mir doch wohl von Colin ein wenig mit den Gedichten helfen lassen. Als wir das Dach wieder verlassen, ist es mir gelungen, mich mit ihm für den Dienstagmorgen, den Tag meines Abflugs, in Dublin zu verabreden.
    »Aber worum geht es denn?«, fragt er neugierig.
    »Eine Mythenfrage«, nuschele ich unbestimmt.
    Vermutlich denkt er jetzt, ich wolle ihn einfach nur angraben. Aber irgendwann werde ich ja wieder in Hamburg leben – und dann wird es mir völlig schnuppe sein, was hier irgendjemand von mir gedacht hat.
    Als Colin fertig ist und wir zurück ins Wohnzimmer gehen, sitzen Frederick und eine merklich unterkühlte Moira mit meinem Vater am Tisch. Frederick ist gut gelaunt wie eh und je – und ich finde Moira sollte sich nicht so anstellen. Selbst wenn sie wirklich Anlass zu ewiger Feindschaft mit Nellie haben sollte, kann der Sohn ja nichts dafür. Er trägt wieder seinen eleganten Anzug und sieht ziemlich gut darin aus. Als ich Frederick so neben Moira und Colin sehe, fällt
mir zum ersten Mal ein, dass er ja eigentlich auch ein Neffe von Moira ist – und ein Cousin von Colin. Colins angeheiratete Tante ist immerhin die Schwester von Fredericks Mutter. Puh! Dann ist das hier ja eine ausgewachsene Familienfehde.
    »Hallo, Louisa, hallo, Colin«, sagt Frederick mit einem strahlenden Lächeln in unsere Richtung. »Ich habe gerade deinen Vater gefragt, ob du wohl Lust

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