Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
angemietete Dreizimmerwohnung – aber in zentraler Lage – musste ich tagaus und tagein im Büro sitzen.
»Es wäre zumindest ein Anfang. Und bald ist März, dann kommen die ersten Touristen auf die Insel.«
»Aber Papa, das reicht ja kaum, um die Bretterbude selbst am Laufen zu halten.«
»Ich weiß«, sagt er trotzig, »ich werde aber mit Sir Henry reden. Das Bed & Breakfast ist doch keine schlechte Idee. Das Haus ist großartig. Sie müssten sich doch nur bei ein paar Vermittlungsbüros anmelden und dann werden sicher viele Touristen in diese Gegend kommen. Und er kann sich
dann um die Unterkunft kümmern und ich sorge dafür, dass die Gäste nach ihren Wanderungen etwas Warmes zu essen bekommen!«
»Das kann doch höchstens eine Handvoll ruhebedürftiger Pensionäre sein, hier gibt es doch gar nicht genug zu sehen.«
Er sieht immer unglücklicher drein. »Stimmt«, murmelt er. »Wir bräuchten eine Sehenswürdigkeit.«
Tja, woher nehmen? Wenn ich ihn doch nur trösten könnte. Er sieht so traurig aus.
Ich weiß gar nicht, warum mir so etwas Dämliches rausrutscht wie das, was ich jetzt sage: »Ähem, eigentlich ist die Bude wirklich ein guter Anfang. Ich helfe dir, wenn du magst. Vor April habe ich eh keinen neuen Job.«
Es hat geklappt. Er strahlt übers ganze Gesicht. »Oh, Lu, auf dich kann man wirklich zählen! Teresa wird so glücklich sein.«
Hmpf. Na prima. Um das Glück seiner Schnalle zu sichern, muss ich nun meine Finger in Frittierfett baden.
»Wie ist Teresa überhaupt in das Haus gekommen?« Dieser Punkt ist mir tatsächlich noch völlig unklar. Wie so vieles, das hier vor sich geht. Was macht eine aparte Italienerin im kalten Irland? Die soll sich gefälligst eine schmucke Wohnung in Rom nehmen.
»Ihre Mutter war Köchin bei Sir Henrys Vater und später bei Sir Henry. Die Familie hat immer schon eine Schwäche für die italienische Küche gehabt.«
Teresa hingegen wollte nicht Köchin werden, sie wollte ihre Wurzeln finden und hat – Achtung, noch ein Klischee, wenngleich kein irisches – in Italien Kunstgeschichte studiert. Henry und seine Familie haben sie dabei unterstützt. Im Verlauf ihres Aufenthalts hat sie dann wohl festgestellt,
dass ihre Wurzeln zwar ganz nett sind, ihr aber die irische Heimat, in der sie aufgewachsen ist, viel mehr am Herzen liegt. Sie hatte auch keine Lust, einen reichen Mann zu heiraten, der ihr eine reizende kleine Galerie zur Selbstverwirklichung finanzieren würde. Und weil die Herrschaften zu dem Zeitpunkt schon nahezu pleite waren und Teresa nicht in einem stinklangweiligen Museum arbeiten wollte, und auch weil sie am Ende wohl doch die Kochleidenschaft ihrer Mutter geerbt hatte, quartierte sie sich im Herrenhaus ein. Für die anderen war die süße kleine Tochter der heißgeliebten und leider inzwischen verstorbenen Köchin heimgekehrt. Nun wohnt die Waise seit über 20 Jahren im Haus und lebt ihre Liebe zum Kochen aus. Sie bekommt kein Gehalt, dafür zahlt sie keine Miete. Eine Win-Win-Situation, die ihr sogar noch Zeit zum Schreiben von Groschenromanen lässt, mit denen sie das Geld verdient, das sie für all den Mädchenkram braucht, ohne den selbst eine Exil-Italienerin nicht leben kann.
»Aber es muss doch irgendwann einmal einen Mann gegeben haben. Ich glaube einfach nicht, dass eine Frau wie Teresa ihr Leben komplett alleine fristet.«
Oje, ich glaube mein Vater ist gerade schon wieder errötet. »Es gab da wohl mal einen Ehemann. Aber offenbar ist das nicht so gut gelaufen.« Er zögert, dann fährt er trotzig, mit einem Blick auf meine hochgezogenen Augenbrauen fort: »Kommt in den besten Familien vor.«
Womit er Recht hat. Zum Beispiel in unserer.
Ich gebe meinem Vater schnell einen Kuss.
»Ich leg mich mal eine Stunde hin.«
»Ja, ruh dich aus, Lu. Wir brauchen Kraft, um die Bude aufzupäppeln.«
Das hatte ich schon fast wieder vergessen. Was hat mich da nur geritten? Das ist so bescheuert. Ich brauche Ruhe. Ich brauche Juli. Ich brauche Tanja. Ich brauche Toni. Ich brauche Peter. Ich brauche Martin ... Ach nein, den brauche ich natürlich nicht!
In meinem Zimmer werfe ich mich mit dem Gedichtband aufs Bett. Ist sie’s oder ist sie’s nicht? Das ist hier die Frage. Die »nachtfinstre Haarpracht« mochte Nellie gehabt haben, aber konnte es zwischen ihr und ihm wirklich »ein seelenverwebendes Erkennen« gegeben haben, wie es in den späteren Gedichten beschrieben wird? Welches Erkennen ist überhaupt gemeint? In der Bibel zum
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