Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
mir schon mal im Gegenzug eine große Rundbürste, Volumen-Spray mit Hitzeschutz und einen Ionen-Fön zulegen.
»Ich habe gleich einen Termin und sehr wenig Zeit«, sagt da die Chefin, »kommen Sie doch einfach mit und machen Sie einen Probetext daraus.«
Uff, das kommt nun echt überraschend.
»Sicher, sehr gerne«, sage ich schnell, weil ich nicht gleich durch das Ausschlusskriterium schlechthin auffallen will – mangelnde Flexibilität. Ich erhebe mich langsam, während sie schon ihren fuchsiafarbenen Trenchcoat übergeworfen hat. Etwas verlegen trotte ich hinter ihr her und merke durchaus, dass mich alle in dem Großraumbüro, das wir durchqueren müssen, anstarren. Als ob sie Angst hätten, dass ich gleich meine Knarre zücke, um ihnen nach Lust und Laune Kugeln in Kopf und Weichteile zu jagen. Vielleicht zu Recht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Mitarbeiter, die es in den Augen der Chefin nicht bringen, blitzschnell durch andere ersetzt werden.
»Guten Tag«, rufe ich allen freundlich zu und verrenke meinen Nacken ein wenig, um jeden dabei direkt anzusehen. Dass ich dabei der Meute meine empfindliche Stelle, nämlich meinen Hals, zeige, scheint aber niemanden davon zu überzeugen, dass ich keine Gefahr bin. Klappt vielleicht nur unter Wölfen. Vielleicht gelten hier auch bloß andere
Regeln, und das Grüßen ist ein ähnliches No-Go, wie es das andernorts wäre, wenn jemand donnernd auf den Tisch klopft und laut »Mahlzeit« grölt? Jedenfalls blicken alle penetrant weg.
Vor der Tür springe ich auf den Rücksitz des Taxis, die Chefin sitzt schon auf dem Vordersitz. Sie palavert zu mir nach hinten gewandt noch etwas über die unfassbaren Unannehmlichkeiten des Jobs. Ich komme gar nicht dazu, sie zu fragen, um was für einen Termin es sich eigentlich handelt. Egal, Zeit etwas vorzubereiten, hätte ich sowieso nicht mehr. Der Ausflug endet in einem zerfallenen Industriegebiet am Rande Hamburgs. Was kann man hier schon vorhaben? Irgendein abgefahrenes Shooting à la »Germany’s Next Top Model«, bei dem die Mädchen die neuen Overalls präsentieren und gleichzeitig mit dem Presslufthammer kämpfen müssen, während ihnen die Windmaschine die toupierten Haare zerzaust? Vor einer Lagerhalle halten wir. Obwohl es kalt ist, lungern draußen ein paar aufgebrezelte Frauen mit einem Gläschen Prosecco herum. Meine potenzielle Chefin begrüßt alle mit hingehauchten Küsschen. Die Mädels antworten ihr mit lustigen kurzen Quietschgeräuschen. Sie stellt mich niemandem vor, sondern stellt sich so vor mich, dass ich halb verdeckt bin. Meine Anwesenheit hat sie offenbar längst vergessen. Weil ich sie nun schlecht zur Seite schubsen und allen die Hand geben kann, werfe ich schon mal einen Blick nach drinnen. In der Lagerhalle sind die vielen Stuhlreihen vor der Bühne gut gefüllt. Ein Mädchen drückt mir ein Glas Prosecco und ein Lachshäppchen in die Hand und ich sichere der Chefin und mir einen Platz. So sitze ich eine ganze Weile doof rum, während sie angeregte Gespräche führt. Ich beobachte sie ein wenig
und fange ein paar Wortfetzen auf. Im Geiste mache ich mir erste Notizen: Muss mir merken, dass mattschwarzer Nagellack auf den Fingern und kirschrote Lippen ohne Glanz in diesem Herbst der absolute Trend sein werden. Infos, die Juli sicher brennend interessieren. Dann war der Ausflug hierher wenigstens nicht völlig umsonst. Als es endlich dunkel im Raum wird, lässt sich die Chefin elegant auf den Sitz neben mir gleiten. Sie wirft einen kurzen Blick auf meinen gezückten Notizblock und den Stift. Hoffentlich sieht sie nicht auch, dass ich kleine Comic-Figuren male.
»Ich halte schon mal erste Eindrücke fest«, sage ich bestimmt. »Was genau passiert denn jetzt?« Die Frage muss ja wohl erlaubt sein, schließlich habe ich nicht die kleinste Einweisung bekommen. Den Raum habe ich vergeblich nach Hinweisen abgesucht und bis jetzt eine maximale Unverständlichkeitstoleranz an den Tag gelegt, in der regen Hoffnung, dass sich alles von alleine aufklärt. Bis jetzt ist das aber nicht passiert.
»Oh, das wird ein Beitrag zu einem medizinischen Thema für die Serviceseiten.«
Und da kommt auch schon der Maestro des heutigen Vormittags – eine Art billiger David-Copperfield-Verschnitt, der seine Hand lässig auf den Stuhl vor sich abstützt und zwischen den Fingern der anderen eine Spritze in die Luft hält. Sein Vortrag ist schnarchlangweilig. Dass er mit öligem Charme und ohne einen Versprecher das Wort
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