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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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etwa so, wie es gerade die Zeitschriften – Globalisierung sei Dank – in fast aller Welt identisch abbilden. Das Schema wird hier so simpel wie präzise umgesetzt: Man nehme ein Teil von H&M (am liebsten das Organic-Cotton-Shirt), einen teuren Hingucker (meist die Schuhe, in dieser Saison Budapester wie aus Omas Kleiderschrank, cooler ausgedrückt: »Granny-Style«) und ein Vintage-Teil aus dem überteuerten, megaurbanen Secondhandladen (meist die übergroße Tasche). Deswegen sehen sie natürlich am Ende doch alle gleich aus. Bei der Tageszeitung lag das schluffige Durchschnittsalter bei 50. Dadurch war die Stimmung eher erschöpft und ruhig.
Und ich ging mit Anfang 30 noch als das Nesthäkchen durch, dem man einiges durchgehen ließ. Hier sehen alle so ... jung aus. Ich ahne auf einmal ganz genau, was mich erwartet: eine Chefin, die ungefähr 23 Jahre alt ist und zwar alle Modemarken richtig buchstabieren kann, aber ansonsten keine Ahnung hat. Mein Bauch zieht sich warnend zusammen. Das Gefühl ist sehr deutlich, dennoch nehme ich tapfer den Fahrstuhl in den achten Stock, wo ich von dem Mädchen am Empfang direkt ins Chefzimmer gelotst werde. Die Chefin ist doch etwas älter als erwartet, sogar ein paar Jahre älter als ich – so Ende 30, tippe ich. Sie hat eine blondierte Dauerwelle, die heutzutage »perm« genannt wird. Das gute alte deutsche Wort beschwört einfach zu finstere Bilder an die Pudelmähnen der 80er Jahre herauf. Ändert aber nichts an der Optik, geht es mir gehässig durch den Kopf. Ihre Zähne sind weißer als die unschuldigen Schneeflocken, die ich bei meiner Ankunft in Irland gesehen habe. Ich schaue gebannt auf die blitzenden Beißerchen.
    »Gut, nicht wahr?« Sie lacht und tippt mit der Kuppe des Zeigefingers leicht gegen ihren beeindruckenden Schneidezahn.
    Ich fühle mich ertappt und nuschele ein undeutliches Ja.
    »Die haben den Wert eines Neuwagens«, erklärt sie. Verwirrt überlege ich, ob ich während meiner irischen Auszeit etwas verpasst haben könnte und künstliche Zähne nun das neue Statussymbol sind. So nach dem Motto: Porsche, Sauna und Flachbildschirm hat inzwischen jeder Hinterwäldler – aber die Zahnbehandlung kann sich keiner mehr leisten, der es nicht echt geschafft hat. Ich schaue aus dem Fenster auf die erwartungsgemäß verspiegelte Fensterfront des Bürohochhauses gegenüber und setze mich auf den einzig
freien Stuhl. Ich rede reichlich Stuss; warum ich unbedingt hier arbeiten wolle, obwohl ich noch nie etwas mit Mode zu tun hatte, dass ich immer schon das Magazin lese und was man bei einem Bewerbungsgespräch so sagt. Die meiste Zeit über sieht die Chefin aus dem Fenster, statt mir zuzuhören. Sie weiß wohl so gut wie ich, dass ich das Blaue vom Himmel runterlüge. Bloß, warum hat sie mich dann überhaupt eingeladen?
    Als könnte sie Gedanken lesen, antwortet sie auf die nicht gestellte Frage: »Ich habe Sie eingeladen, weil Sie von der Tageszeitung kommen. Solche sind meist schneller als andere, die bei einem Monatsmagazin groß geworden sind. Die können nämlich besser mit Zeitdruck umgehen. « Sie seufzt dabei schwer und guckt auf ihre Armbanduhr. »Die Frage ist: Können Sie Ihren Schreibstil zielgruppengerecht anpassen? Nicht, dass Sie mich missverstehen. Ich mochte Ihre Artikel. Sie waren intelligent und originell. Aber hier ist noch viel mehr Originalität gefragt! Was ich mir vorstelle, ist eine Mischung aus Vogue , Spiegel , Gala und Home&Garden . Nur viel cooler, innovativer und moderner. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich denke schon«, sage ich mit betont lässigem Lächeln, das ihr signalisieren soll, dass wir da voll auf einer Linie liegen. In Wirklichkeit habe ich natürlich keinen blassen Schimmer und bin mir auch nicht sicher, ob es ihr eigentlich anders geht – so ganz tief im Inneren. Aber irgendetwas an mir scheint sie davon zu überzeugen, dass ich über all die gesuchten Qualitäten verfüge. Abgesehen von einem ganz großen Manko: Gequält blickt das blonde Zahnwunder auf mein Retro-Kostüm. Mehr als die Frage nach meinem Schreibstil bedrängt sie wohl der Argwohn, ich könne
vielleicht meinen Klamottenstil nicht anpassen. Und ich frage mich auch gerade, ob ich bereit bin, mich täglich drei Stunden zu stylen, um dann diesen natürlichen, lässigen »undone«-Look der anderen hinzubekommen?
    Aber das ist natürlich ein Luxusproblem. In Zeiten wie diesen kann ich dankbar sein, wenn mir überhaupt jemand eine Chance gibt. Da kann ich

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