Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
mir graut so sehr davor, Colin gegenüberzustehen.
Mein neuer Chef, Herr Grünbaum, hat mein Zimmer betreten, schuldbewusst schaue ich zu ihm hoch. Da gibt dieser wirklich sympathische Mann mir diese tolle Chance und ich schaue selbstmitleidig aus dem Fenster, statt auf das Display meines Rechners.
»Hallo, Louisa, ich wollte nur mal gucken, ob du dich schon ein klein wenig eingelebt hast. Kommst du zurecht? «
»Sehr gut, danke!« Ich lächle ihm freundlich zu und gelobe innerlich Besserung.
»Wo warst du denn gerade in Gedanken?« Neugierig blickt er in mein Gesicht.
Ich will ihn nicht belügen. »In Irland«, gebe ich zu.
»Toni hat mich schon gewarnt, dass ich womöglich nicht besonders lange etwas von dir habe.«
»Wieso?«
Er schaut auf die Finger. »Weil ein Stückchen Louisa immer noch auf der Grünen Insel verweilt. Das fällt doch sogar mir auf.«
Ich bin etwas sauer auf Toni. Dass sie mir so in den Rücken fällt, meinen Arbeitgeber vor meiner derzeit möglicherweise etwas fragwürdigen Arbeitsmoral zu warnen ... Einem Arbeitgeber, der darüber hinaus auch noch ein Mann ist, also eigentlich Tonis natürlichem Feindbild entspricht. Der Zorn verfliegt schnell. Schließlich ist sie eine meiner besten Freundinnen, und ich weiß, dass Toni mir niemals absichtlich schaden würde. Sie hätte ihm nichts erzählt, wenn sie ihn nicht für absolut vertrauenswürdig halten würde, so gut kenne ich Toni. Sie kann bestens dichthalten. Eigentlich ist es ja auch süß von ihr, dass sie mir unabhängig von ihrer eigenen Einstellung zu Liebesdingen ein Türchen offen halten will, durch das ich schlüpfen und mich letztendlich doch für den Mann entscheiden könnte. Das würde sie selbst natürlich niemals zugeben.
Jetzt sieht Herr Grünbaum ein wenig verlegen aus. »Was ich eigentlich sagen wollte. Ich möchte dich gerne hierbehalten und habe absolut keine Lust, mir gleich wieder eine Neue ins Boot zu holen. Aber ich will nicht, dass du dir deswegen Gedanken machst und dich mir gegenüber verpflichtet fühlst. Liebe geht vor, o.k.?«
»O.k. Auch wenn ich dein Angebot, mich ohne großes Drama aus meiner Verpflichtung zu entlassen, nicht annehmen werde: danke! Für den Job und das gerade eben.« Ich lächle ihm freundlich zu.
»Warten wir’s ab«, sagt er gelassen und schlendert aus dem Raum.
Die Abende im Weinstein sind ohne Peter auch nicht mehr die gleichen. Ich vermisse seine nervigen Zitate und die verschroben-männliche Sichtweise auf unsere Probleme.
»Uff, habt ihr Louisa schon mal so übel gelaunt gesehen?«, fragt Juli und schaut dabei nur Tanja und Toni an.
»Nein, noch nie. Du etwa?« Tanja würdigt mich ebenfalls keines Blickes.
»Nein, noch nie. Verstehe ich gar nicht. Sie hat einen großartigen Job. Sie wohnt in einer tollen Großstadtwohnung. Andere Menschen habe es viel schlechter. Die müssen im kargen Irland rumhängen und sich nach deutschen Blondinen verzehren.« Toni wäre nicht Toni, wenn sie nicht immer noch einen draufsetzen würde.
»Argh!« Oh, ich habe echt laut geschrien. Aber es ist ja auch nicht zum Aushalten. »Hört sofort auf, über mich zu reden, als sei ich gar nicht da. Ich weiß, dass ihr denkt, ich hätte mit Colin zusammenbleiben sollen. Aber ich will jetzt nicht darüber reden oder auch nur darüber nachdenken. O.k.?«
Juli sieht betroffen aus und ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil ich doch sonst die Erste bin, die andere aufzieht. Da sollte ich auch ein bisschen was einstecken können. Aber ich fühle mich in so einer seltsamen Zwischenwelt gefangen. Ohne eigene Wohnung, meine Eltern über den Erdball verstreut und voller Sehnsucht nach Moira und den anderen.
Ich wechsle schnell das Thema. »Ich habe mir heute übrigens Wohnungen angesehen.«
»Du Arme«, sagt Juli mit echtem Mitleid und bestellt mir schnell noch einen Gimlet. Jeder kennt die Hamburger Wohnungsmarkts-Hölle. Für schrammelige Dachgeschosswohnungen am äußersten Ende Altonas stehen die Menschen bei den Besichtigungsterminen vom fünften Stock bis auf die Straße Schlange. Nach einer Weile hat man auch zu allen Gesichtern einen Namen, weil es immer dieselben sind und man die Wartezeit mit dem ausgiebigen Austausch von Leidensgeschichten verbracht hat.
»Das ist nun schon die dreißigste Wohnung, die wir uns ansehen«, seufzte ein Studentenpärchen. Die beiden taten mir ziemlich leid. Sie haben keine Chance. Die Vermieter wollen Verdienstbescheinigungen, Arbeitsverträge und allen
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