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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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hierzubleiben, quatsch, ich meine, der, es ihm zu sagen, also ... «
    Moira schaut mir prüfend ins Gesicht und scheint sich nicht entscheiden zu können, ob sie mich lieber wütend schütteln oder tröstend in den Arm nehmen soll. Schließlich lächelt sie. »Ach so, vielleicht brauchst du tatsächlich etwas Abstand, um wieder zu Verstand zu kommen. Dann wirst du schon die richtige Entscheidung treffen. Egal, ob mit Herz oder Vernunft, du kannst nur zu einem Schluss kommen!«
    Ich lasse sie in dem Glauben, dass dies nur eine kleine Verzögerung
sei, an deren Ende Colin und ich uns doch unweigerlich in den Armen liegen werden.
    »Hmpf«, mache ich. Ich räuspere mich noch mal.
    Moiras belustigter Blick aus dunkelblauen Augen wird mir so furchtbar fehlen.
    »Na komm schon her«, sagt sie laut und presst mich fest an sich. »Du kommst ja bald wieder.«
    Nun ist alles vorbei, ich muss haltlos schluchzen. Auf dem Weg zurück zum Cottage nehme ich mich nur deshalb mühsam zusammen, damit mein Vater nicht in die Verlegenheit gerät, auch noch etwas Peinliches zu sagen, das mich dann gleich wieder in einen Wasserfall verwandelt.
    Bleibt nur noch Colin. Was bin ich nur für ein erbärmlicher Feigling. Nachdem ich ungefähr hundertmal tief durchgeatmet habe und mir von dem ganzen Sauerstoff schon ein wenig schwindelig ist, verabschiede ich mich von Colin per Telefon.
    »Du fliegst wann?«, ruft er entsetzt in den Hörer.
    »Also, ehrlich gesagt: morgen.« Dabei habe ich ihm das nun schon zum dritten Mal erzählt.
    Colin ist echt sauer.
    »Ich weiß es doch selbst erst seit ein paar Tagen.« Schwache Ausrede, Louisa.
    »Ich komme heute Abend noch zu euch. Wenn ich mit der Arbeit fertig bin.«
    »Mir wäre aber lieber, du würdest das nicht tun.« Das stimmt sogar, ich vermisse ihn jetzt schon so sehr, als sei er bereits ganz weit weg. Ihn zu sehen wäre ein zu herber Rückschlag.
    »Ach, Louisa, ich weiß, dass dies eine tolle Chance für dich ist. Die will ich dir sicher nicht vermiesen. Aber hast du
auch nur eine Sekunde daran gedacht, dass wir trotzdem zusammen sein könnten?«
    Au ja, Colin, komm vorbei und hindere mich daran, abzufliegen – am besten, indem du mich niederschlägst, weil alles andere nicht helfen würde. Ich sage aber besser nichts davon, damit er nicht womöglich meiner zitternden Stimme anhört, wie sehr mich das Ganze mitnimmt.
    Er versteht aber leider alles ganz falsch.
    »Das war es dann also.« Colin Stimme klingt ein wenig hohl, aber sie zittert nicht.
    Ich mache ein merkwürdiges Geräusch und lege auf. Falls er das ganz richtig als martialisches Schluchzen erkannt hat – nun, dann kann ich jetzt auch nichts mehr daran ändern. Ich liege die ganze Nacht wach und hoffe so halb darauf, dass er vor unserem Haus Randale macht, mich herausschleift und mir sagt, dass er ohne mich nicht leben kann. Aber natürlich kann er ohne mich leben. Er hat fast 40 Jahre hervorragend ohne mich gelebt. Deswegen kommt er auch nicht. Falls er Trost braucht, findet er den sicher ganz locker und bequem direkt am Arbeitsplatz. Männer! Pff! Die sind doch zu echten, tiefen Gefühlen gar nicht fähig.

    Auch eine Woche später habe ich noch kein Wort von Colin gehört. Vom Fenster meines netten neuen Büros aus betrachte ich das verglaste Haus gegenüber: wie die anderen fleißigen Arbeitsbienen dort kopieren, geschäftig hin und her rennen und vor ihrem Rechner einnicken. Tja, das echte Leben halt. Ich lasse mich in den ergonomisch geformten Stuhl zurücksinken. Wieder einen kleinen Schritt geschafft!
Ich arbeite an einem normalen Arbeitsplatz, mit geregeltem Gehalt und Mittagspause pünktlich um zwölf. Sehr schön. Nun muss ich bloß noch eine Wohnung in Hamburg finden. Derzeit wohne ich wieder bei Juli. Sie übernachtet meist bei Thomas, diesem – sie hört’s ja nicht – Schnarchsack! Ein Dauerzustand ist das natürlich nicht. Ich weiß, warum es mir so schwerfällt, mich aufzuraffen. Weil es eine endgültige Absage an Irland wäre. Ich versuche, mich auf den Text zu konzentrieren, den ich gerade schreiben soll. Ich soll das Buch einer ganz jungen, neuen Autorin, die im rotzigen Tonfall ihre schwierige Kindheit in einem Großstadtghetto beschreibt, anpreisen. Nicht, dass es nicht schon tausend solcher Bücher gäbe, aber einen neuen Verkaufsdreh zu finden, ist ja auch meine Aufgabe.
    Es sind nur noch drei Wochen bis zur Eröffnungsfeier. Das heißt, nur noch zweieinhalb, bis wir wieder nach Irland reisen. Oh, Mann,
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