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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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vielleicht auch noch etwas“, sagte er und strahlte Olaf so freimütig an, dass dieser sich entspannte.
    Was sollte passieren?
    Sie beide waren im Grunde nun erwachsen. Vielleicht würden sie sich dereinst ungezwungen treffen, ohne falsche Untertöne, ohne merkwürdige Spannungen. Eines Tages, vielleicht wenn jeder von ihnen eine Frau an seiner Seite hatte.
    Olaf lächelte und nickte Christian zu, der sich neben ihn fallen ließ.
    Und auf einmal fühlte es sich wirklich an wie im vergangenen Sommer, wie in all diesen Zeiten, in denen sie im Haus ihrer Eltern zusammen saßen und einen Film ansahen.
    Und wie all diese Male zuvor, lehnte sich Christian wie selbstverständlich an ihn, ungeachtet seiner gewonnenen Würde als Beinahe-Erwachsener.
    Wie all diese Male zuvor konnte Olaf nicht anders, als sich in dem Kontakt zu verlieren.
    Sein Arm wanderte wie von selbst um den Jüngeren, zog diesen an sich, neben sich, bis Christian sich von selbst noch ein Stück weiter an ihn kuschelte, seinen Kopf an Olafs Schulter lehnte, seine Knie auf die Couch zog.
    Die Hand des Jüngeren wanderte um Olafs Hüfte und er seufzte zufrieden.
    „Ich habe dich vermisst“, wisperte er und Olaf spürte, wie seinen Lungen ein tiefer Atemzug entwich, tief genug, als entließe er mit der Luft all die unausgesprochenen Selbstvorwürfe, all die selbstquälerischen Gedanken, die ihn seit dem letzten Weihnachtsmorgen verfolgten.
    Er antwortete nicht, und das war auch nicht nötig, fühlte Olaf doch, dass Christian ihn verstand, ihn besser bestand, als jeder Andere es konnte, es jemals können würde.
    Der Film verschwamm in einem Nebel aus Geräuschen, aus Dialogen, die keinen Sinn ergaben und Bildern, die nicht mehr waren, als eine Aufeinanderfolge konfuser Eindrücke.
    Das Einzige, was für Olaf zählte, war Christian, der sich an ihn lehnte, der ihn brauchte, der Kraft aus seiner Anwesenheit tankte, so wie er sie aus dem Bewusstsein von Christians Nähe, seiner Unversehrtheit, dem puren Beweis seiner Existenz zog.
    *
    Olaf erwachte, als das Licht aufflammte.
    Carola stand vor dem Sofa. Ihre Lippen kräuselten sich, ihr Gesichtsausdruck gab keine Empfindung preis.
    Olaf schrak auf, für einen Augenblick wusste er nicht, wo er sich befand, was passiert war oder warum ihn seine Freundin derart kritisch betrachtete.
    Erst dann regte sich der Körper an seiner Seite und Olaf bemerkte zugleich mit der Röte, die in sein Gesicht wanderte, die vertrauliche Position, die sein Bruder eingenommen hatte.
    Christians Kopf lag gegen seine Brust, sein Atem wärmte den Stoff des Hemdes, ebenso wie seine schlanken Finger den Stoff der Hose wärmte, auf der er seine Hand abgelegt hatte.
    Ein wenig oberhalb des Knies, ein wenig zu nah, als dass Olaf nicht die unmittelbare Reaktion seines Gliedes empfinden konnte.
    Er streckte sich verhalten, versuchte Christian abzuschütteln, der nur unwillig knurrte und blickte hilfesuchend zu Carola auf.
    „Wir… wir sind eingeschlafen“, begann er eine Erklärung und bemühte sich die Falte zu ignorieren, die zwischen Carolas Augen entstand.
    Sein Blick fiel auf den Fernseher, auf dem lediglich weißer Schnee zu sehen war und er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    „Der… der Film war wohl nicht sehr interessant.“
    „Das scheint mir auch so“, gab Carola zögernd zu und studierte das nicht angerührte Bier, sowie die Brote auf dem Couchtisch.
    Christian regte sich erneut, bevor er sich streckte und seinen Kopf hob, Carola aus verschlafenen Augen anblinzelte.
    „Au verflixt“, murmelte er. „Hab ich das Ende verpasst?“
    Der Anflug von Skepsis verschwand ein wenig zögernd aus dem Gesicht der Frau, bevor sie es in strenge Falten zog.
    „Kinder und Heranwachsende sollten wohl ins Bett.“
    Christian setzte sich auf, fuhr sich durch sein Haar, bis es nach allen Seiten abstand. Er beäugte Carola kritisch, bevor er seufzte: „Und ich dachte, ich wäre den häuslichen Zwängen entkommen.“
    Carola beugte sich vor. „Die sind hier noch viel schlimmer“, drohte sie und Christian grinste und sprang auf seine Füße.
    Olaf spürte den Verlust des Jüngeren beinahe schmerzhaft an seiner Seite.
    „Schlaf gut“, rief er ihm hinterher, doch Christian drehte sich nicht mehr um, winkte nur rückwärts in ihre Richtung, als er den Gang hinunter in das Gästezimmer verschwand.
    Carola streckte Olaf eine Hand entgegen, die dieser dankbar ergriff und sich von ihr ein Stück hochziehen ließ.
    „Er ist witzig“,

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