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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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sehen?“
    „Ihr beide?“, lachte Olaf und wies mit dieser Reaktion den Vorschlag weit von sich.
    Innerlich jedoch krampfte sich etwas in ihm zusammen, flüsterte eine verschwörerische Stimme ihm zu, dass Christian recht hatte, dass er selbst es immer gewusst, jedoch nie wahrhaben wollte.
    Natürlich glichen sich Christian und Carola, glichen sich mehr als gut für ihn sein konnte. Lediglich die Tatsache, dass Carola eine Frau war, unverkennbar weiblich, zählte als eine Entschuldigung dafür, dass er so blind gewesen war.
    Olaf drehte sich wieder zum Schrank und fischte wahllos Nahrungsmittel aus diesem heraus, nur um Christian nicht merken zu lassen, wie sehr ihn seine Bemerkung erschüttert hatte.
    Und doch konnte er nicht anders, als von der Seite zu dem Jüngeren zu linsen, in dem Moment, in dem dieser neben ihn trat.
    Christian hatte recht. Es war die gleiche weiße Haut, die gleiche Blässe des Gesichts, die gleiche dunkle Tönung der Haare.
    Olaf sog lautstark die Luft ein. Großer Gott, mit Christians langem Haar, trugen sie sogar beinahe die gleiche Länge, blickten auf die gleiche Weise unter ihren Strähnen zu ihm auf, spielerisch und aufreizend, als wollten sie etwas von ihm.
    Olaf hielt inne und schloss seine Augen, trieb die Gedanken zurück, dorthin wohin sie gehörten, in die verbotene Zone.
    Als er seine Augen wieder öffnete blickte er in Christians Gesicht, der ihn konzentriert beobachtete. „Ist alles in Ordnung?“, fragte der Jüngere.
    „Ja, natürlich“, beeilte Olaf sich zu versichern.
    „Ich hatte nur… es war ein langer Tag und ich bin müde.“
    „Hey, ist doch kein Problem.“ Christian griff rasch nach einer Packung Knäckebrot und einer Dose Fisch.
    „Ich lasse nicht zu, dass ich dir zur Last falle und mache mir selbst was. Glaub mir, du wirst gar nicht merken, dass ich da bin.“
    Die Bemerkung erinnerte Olaf so stark an ein Gespräch, das sie bereits geführt hatten, dass er unwillkürlich errötete.
    „Nein, nein.“ Er griff nach dem Fisch, sich seiner Intentionen selbst nicht bewusst.
    Ihre Finger berührten sich und Olaf erstarrte, als die Berührung ihn traf, wie ein elektrischer Schlag.
    „Ich… ich mach das schon.“ Seine Stimme klang heiser und er verwünschte seine Unsicherheit.
    „Sei nicht albern.“
    Als bemerkte er die Emotionen nicht, die Olaf einholten, legte Christian ihm einen Arm um die Hüfte und schob ihn sanft in Richtung des Wohnzimmers. „Weißt du was“, schlug er vor, während er ihn zu der Sitzecke steuerte.
    „Nein, was?“ Olaf bemühte sich, seine Fassung wiederzugewinnen, nachdem er auf das Sofa gesunken war.
Christian baute sich vor ihm auf und begutachtete ihn kritisch.
    „Du ruhst dich aus, und ich suche dir einen Film aus und besorge etwas zu trinken. So wie früher.“
Olaf konnte nicht anders als lächeln, obwohl ihm das Herz schwer war.
    „Wie früher“, wiederholte er zögernd. „Es ist aber jetzt anders.“
    „Wir sind immer noch Brüder“, bemerkte Christian und ging zu der Reihe DVD Filme neben dem Bildschirm.
Olafs Augen folgten ihm und mit einem Mal erschauerte er in dem Bewusstsein seiner Nähe. Das war anders, als die gefühlte Sicherheit, die mit dem Wissen einher ging, dass der Bruder Hunderte von Kilometern getrennt von ihm war. Dass mit Ausnahme seiner Gedanken nichts existierte, was sich mit dem Jüngeren verknüpfen, ihn beeinträchtigen, verfolgen oder verletzen konnte.
    Christians Zungenspitze lugte zwischen seinen Lippen hervor, als er sich konzentriert bemühte, die Titel zu entziffern.
    Hin und wieder zog er eine DVD hervor, und betrachtete sie eingehend, bevor er sich auf die Zehenspitzen stellte und sie zurück in das Regal schob.
    Er war schön, wie eh und je. Vielleicht noch schöner, jetzt, da er älter geworden war, reifer. Seine Züge wirkten abgeschlossener, härter, erfahrener, als Olaf sie in Erinnerung hatte.
    Doch die Tatsache, dass sie Christian ähnlich sah ließ sich nicht leugnen. Und diese so offensichtliche und doch ihm bislang verborgen gebliebene Erkenntnis verwirrte Olaf zusehends.
    So sehr, dass er schließlich richtiggehend froh war, als Christian eine Wahl traf, den Fernseher in Betrieb setzte und sich selbst auf den Rückweg in die Küche begab, wo er sich geräuschvoll durch die Schränke arbeitete.
    Der Vorspann war bereits gelaufen, als er mit einem Bier für Olaf und einem Teller belegter Brote zurückkehrte, die er zwischen sie beide stellte.
    „Ich dachte, du magst

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