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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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Suche nach Nähe. Die Gefühle in ihm selbst, in Olaf waren es, die falsch und krank waren und die zu unterdrücken, seine wichtigste Aufgabe blieb.
    Und mit Carolas Hilfe dürfte es eigentlich nicht allzu schwer werden, diese zu erfüllen.
    „Also“, Christian wandte sich ab, griff nach seinem Rucksack. „Wo ist dieses Gästezimmer, von dem du gesprochen hast?“
    *
    Es dauerte eine Weile, bis der Jüngere wieder auftauchte. Offenbar ließ er sich Zeit dabei, sich zu erfrischen, zu duschen und in ein anderes, wenn auch leicht zerknittertes Shirt zu schlüpfen.
    Olaf wartete unbewusst ständig darauf, dass das Telefon klingelte, wartete auf die unvermeidlichen Anschuldigungen seiner Eltern.
    Carola und er unterhielten sich während des Abendessens und zu Olafs geheimer Freude stellte sich mit jedem gewechselten Wort deutlicher heraus, dass sie auf Christians Seite stand.
    „Es ist schön, endlich jemanden aus deiner Familie kennenzulernen“, gestand sie ihm strahlend und Olaf lächelte zurück, runzelte jedoch gleich darauf die Stirn.
    „Es wird nicht so einfach werden mit unseren Eltern“, gestand er dann. „Sie sind sehr… eigen.“
    „Aber sind das nicht alle Eltern?“
    Olaf griff nach ihrer Hand. „Weißt du, dass es das ist, was ich besonders an dir liebe?“
    „Was denn?“, fragte Carola zwinkernd.
    „Bei dir gibt es keine Umwege“, gestand er ihr. „Du bist so wundervoll… praktisch.“
    Carola lachte. „Na, das ist aber Mal ein Kompliment.“
    Olaf grinste. „Du solltest nehmen, was du kriegen kannst.“
    Carola ergriff ihre Handtasche. „Ich bin spät“, entfuhr es ihr mit einem Mal.
    „Schon wieder eine Ausstellungseröffnung?“, fragte Olaf.
    „In der Galerie ist immer etwas los“, entgegnete sie, lehnte sich noch einmal zurück, bevor sie aus der Tür schlüpfte.
    „Vielleicht entdecke ich bei deinem Bruder ja mehr Kunstverstand, als bei dir“, neckte sie ihn und verschwand.
    Olaf räumte das Geschirr auf und unterzog die Küchenschränke einer oberflächlichen Inspektion. Er bezweifelte, dass sie irgendetwas Passendes für den Geschmack eines Teenagers zur Verfügung hatten, aber andererseits konnte Christian ihnen kaum einen Vorwurf daraus machen.
    Wie aufs Kommando tauchte Christian urplötzlich neben ihm auf, fast als hätte er auf Carolas Verschwinden gewartet, um sich zu zeigen.
    Er gähnte demonstrativ und strich sich dann das widerspenstige Haar zurück.
    Olaf lächelte.
    „Unsere Eltern haben sich noch nicht gemeldet, falls du das wissen willst“, äußerte er dann, beobachtete wie Christian merklich zusammenzuckte.
    „Das wollte ich nicht“, brummte der Jüngere. „Ich bin sicher, dass ihnen eine kleine Pause von mir ebenfalls gut tut.“
    Olaf drehte sich zu ihm um, lehnte sich gegen den Küchentisch.
    „So oder so, wirst du mit ihnen zurecht kommen müssen“, bemerkte er dann. „Früher oder später bleibt keinem von uns etwas Anderes übrig. Es kommt dir nur jetzt schwierig vor, weil in deinem Alter alles und jede Kleinigkeit wie eine Katastrophe aussieht. Glaub mir, wenn du erst in meinem Alter bist, lachst du darüber.“
    Christian sah zu Boden. Olaf fiel auf, dass er zwar nicht widersprach, aber ebenso wenig zustimmte.
    Rasch wechselte er das Thema.
    „Was möchtest du denn essen? Carola und ich hatten gerade Abendbrot.“
    „Wo ist sie?“, erkundigte Christian sich neugierig.
    „Auf dem Weg in ihre Galerie“, antwortete Olaf. „Sie organisiert Ausstellungen und Verkäufe, manchmal Bilder, meistens Fotographien.“
    „Interessant!“
    Christian sah zu ihm auf und Olaf musste lächeln.
    „Sie hat sich gedacht, dass es dich interessieren könnte.“
    „Wieso das?“ Christian hob seine Augenbrauen.
    „Nun.“ Olaf suchte nach einer Antwort. „Vielleicht erkennt sie in dir eine Neigung zur Kunst – vielleicht besteht darin der Anhaltspunkt, den du auf deiner Flucht hierher gesucht hast?“
    Christian biss sich auf die Lippen, legte den Kopf schief, als erwäge er den Gedanken.
    „Möglich“, sagte er dann. „Vielleicht erkennt sie auch Parallelen zwischen uns.“
    „Zwischen uns?“, lachte Olaf. „Ich kann Kunst nicht erkennen und wenn man mich mit der Nasenspitze darauf stößt.“
    „Nein“, schüttelte Christian den Kopf. „Ich meinte zwischen ihr und mir.“
    Olaf starrte ihn fragend an, für den Augenblick ratlos.
    „Naja“, druckste der Jüngere herum. „Hast du nicht den Eindruck, dass… dass wir uns irgendwie ähnlich

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