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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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seinerseits die Arme um den Jüngeren, genoss die Vertrautheit zwischen ihnen, die anders war, als alles, was er jemals mit Carola oder einer anderen Frau, ganz zu schweigen einem anderen Mann empfunden hatte.
    Er dachte, dass es daran läge, dass Christian nichts von ihm erwartete, dass es für ihn ausreichte, dass sie Brüder waren. Und dass es für ihn ausreichte, wenn er die Gefühle, die er sich nicht erlauben durfte zurückhielt, sie gut genug versteckte, dass Christian sie nie erahnen konnte.
    Und es waren diese Momente, in denen er ahnte, dass auch sein Bruder mehr fühlte, in denen er wusste, wer der Mann war, von dem dieser gesprochen hatte.
    Und er erinnerte sich an so viele Augenblicke unpassender Intimität, die sie geteilt hatten.
    Es waren Augenblick wie dieser, in denen er Christians Duft einatmete, seine Nähe spürte, sie schmecken wollte. Dann drehte er seinen Kopf und vergrub seine Lippen in Christians Haar. Nur kurz, ein unschuldiger, brüderlicher Kuss, den der andere vielleicht nicht einmal bemerkte.
    Obwohl das leise Seufzen und die Beschleunigung von Christians Atem, die Olaf nur allzu genau spüren konnte, während er den Jüngeren fest hielt, eine andere Geschichte erzählten.
    ‚Gott hilf mir‘, dachte er so manches Mal, wenn Christian in seinen Armen sich zu gut anfühlte, zu verlockend, als dass er wirklich glaubte, widerstehen zu können. So gut, dass er all seine Kräfte zusammen nehmen musste, um sich zu kontrollieren.
    *
    An einem dieser Abende, platzte Carola unerwartet in die Wohnung, erreichte den Raum in dem sie sich aufhielten, noch bevor Olaf und Christian sich voneinander lösen konnten.
    Eine Sekunde nur verharrte sie, nahm das Bild in sich auf, das sich ihr bot, und bevor Olaf Christian loslassen konnte oder dafür sorgen, dass dieser sich aus seiner Position erheben konnte, rauschte sie an ihnen vorbei und schloss die Tür des Schlafzimmers mit einem vernehmlichen Knall.
    Christian kam ein wenig aus seinem schlaftrunkenen Zustand zu sich, hob leicht den Kopf. „Was…“, murmelte er verwirrt und sah Olaf an, dem erst jetzt die Röte in dem Gesicht des Jüngeren auffiel.
    Seine Finger verblieben in Christians Haar, dessen dunkle Strähnen er, ohne sich dessen bewusst zu sein, spielerisch durch seine Finger laufen ließ, während die freie Hand immer noch mit der lose herabhängenden Hand des Jüngeren verschränkt war.
    Christians Wimpern bebten und er atmete schneller.
    Olaf schüttelte nur leicht den Kopf, ohne auf die Frage des anderen zu achten. Christians Haar umspielte sein Gesicht wie ein dunkler Rahmen, seine Augen glänzten und seine Lippen erschienen Olaf feucht und rot.
    Er schluckte an dem Kloß vorbei, der in seinem Hals hinaufstieg und zwang sich dazu, seine Finger aus dem Haar zu lösen, das er zu sehr liebte.
    Ein erneuter Knall ließ ihn aufschrecken. Carola hielt sich nicht zurück, als sie die Schlafzimmertür zufallen ließ. Rasch ging sie an ihnen vorbei, drehte sich nur einmal kurz in ihre Richtung und verzog den Mund ein wenig abschätzig.
    „Ich hatte etwas liegenlassen“, erklärte sie. „Es dauert nicht mehr lange.“
    Damit war sie fort und Olaf erkannte, dass er nicht einmal wusste, welchen ihrer vielen Termine sie gerade wahrnahm. Nicht nur, dass er es nicht wusste, es kümmerte ihn auch nicht.
    Er versteifte sich, als Christian ein wenig hin und her rutschte und dabei über Olafs Schoß rieb.
    Christian setzte sich schließlich auf, stützte einen Arm auf die Lehne der Couch.
    „Was war denn das?“, murmelte er und blinzelte.
    Für einen Moment fragte Olaf sich, ob der Jüngere wirklich so naiv sein konnte, ob es ihm nicht doch auffiel, dass ihr Verhalten dem zweier Brüder nicht ganz angemessen erscheinen durfte.
    Er sagte nichts, konnte nichts sagen, als Christian sich zu ihm vorlehnte, als er den feinen, am Ende des Tages beinahe schon verflogenen Duft des Rasierwassers wahrnahm, in die samtig dunklen Augen sah.
    Christian legte den Kopf schief und leckte sich kurz und nervös über die Oberlippe. Sein Mund zuckte leicht, als wollte er etwas sagen, besann sich dann aber doch eines Besseren und blieb dabei, Olaf zu betrachten.
    Seine Augen wanderten vom Haar bis zur Schläfe, über die Augen, das Kinn, den Hals und Olaf spürte wie er erschauerte.
    Dann blieben Christians Augen an Olafs Lippen hängen, verharrten dort, als könnten sie sich nicht mehr lösen.
    Olaf schloss die Lider, unfähig, den Anblick noch weiter zu ertragen.
    Das

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