Ueber den Horizont hinaus - Band 1
alles, alles außer dem Ziel, das sich vor ihm auftat, der einzigen Möglichkeit für ihn, wie er diesen Zustand ertragen konnte.
Der Zeitpunkt, in dem er den ‚Nimbus‘ betrat, stellte sich als perfekt heraus. Es handelte sich genau um die Stunden, während derer es voll genug war, um nicht bemerkt zu werden, jedoch gleichzeitig nicht so voll, als dass ein ausreichender Überblick nicht mehr möglich wäre.
Olaf nickte dem Mann an der Theke zu. Er wusste, dass er nicht lange allein bleiben würde. Und er wusste ebenso, wie sehr er sich dafür hasste, wenn er seinem Drängen nachgab. Und trotz dieses Wissens konnte er nicht anders, war die Entscheidung längst getroffen.
Er stürzte sein Getränk hinunter. In diesem Augenblick wäre es ihm egal gewesen, wenn man ihn betrunken am Steuer erwischte. Alles war ihm egal, außer der Sehnsucht in seinen Lenden, in seinem Herzen.
Ein breitschultriger, blonder Fremder lehnte sich an die Bar und Olaf schüttelte den Kopf, ohne aufzusehen. Was er wollte, wusste er wie immer genau, viel zu genau.
Er drehte sich um, nachdem er ein weiteres Getränk bestellt hatte, ließ seine Augen über die Besucher gleiten.
„Hi, kennen wir uns nicht?“
Olaf drehte sich um, betrachtete den Mann an seiner Seite, nickte dann kurz.
„Möglich“, antwortete er ausweichend. „Paolo, nicht wahr?“
Der Mann grinste. „Gutes Gedächtnis“, sagte er. „Nicht, dass dies mein richtiger Name ist, aber er besitzt doch ein gewisses Flair.“
Vertraulich lehnte er sich näher. „War doch schön, das letzte Mal“, sagte er leise. „Wie wär’s mit uns? Ich weiß doch schon, was du willst.“
Olaf presste die Lippen zusammen, griff nach seinem Glas, sah den anderen an.
Vielleicht, wenn sein Alkoholpegel noch weiter anstieg. Vielleicht konnte er sich dann vormachen…
Doch er erinnerte sich an Paolo, an seinen Körper, der zu durchtrainiert, zu muskulös, zu hart und sehnig war, als dass er wirklich die Illusion erschaffen konnte, der Mann sei Christian.
Und doch, vielleicht war er an diesem Abend der Einzige, der seinen Vorstellungen nahekam.
Paolo lächelte. „Ich kenn deinen Typ“, sagte er und beugte sich zu ihm vor. „Jung, schmal und dunkelhaarig. Aber der ist wohl schon beschäftigt.“
Er nickte in Richtung einer der Tische, an dem eine Gruppe junger Männer stand.
Einer von ihnen wandte Olaf seinen Rücken zu und ein elektrischer Schock durchfuhr ihn. Die Frisur, die Jeans, die locker tief in den Hüften saß, das T-Shirt, das er schwören konnte schon gesehen zu haben, an diesem Tag schon gesehen zu haben.
Einer der Männer, die um den Tisch standen, legte seinen Arm um die schmale Gestalt, flüsterte etwas in sein Ohr und der junge Mann schüttelte sich lachend, eine Bewegung, die Olaf vertraut erschien, nur allzu vertraut.
Von der anderen Seite wurde ihm ein Glas mit klarer Flüssigkeit gereicht, ermunternde Rufe wurden laut.
Obwohl diese kaum nötig schienen, denn der junge Mann stürzte den Inhalt nur allzu willig hinunter, erschauerte dann leicht und ließ es zu, dass einer der Männer am Tisch ihm vorne in den Hosenbund fasste und ihn zu sich zog, bis ihre Hüften gegeneinanderstießen.
Der Mann war ungefähr so alt wie Olaf, trug einen Anzug und eine Kurzhaarfrisur. Sein Haar war dunkel, seine Gestalt sportlich. Auch in der Größe überragte er den Anderen nur ein wenig. Den Anderen, den er mit seiner Bewegung ins Profil drehte, so dass Olaf ihn erkennen konnte.
Zuerst glaubte er, hoffte, dass das Dämmerlicht ihm einen Streich spielte, doch die Reaktion seines Körpers sagte ihm mehr als deutlich, um wen es sich handelte.
Er schüttelte Paolo ab, der unverständliche Worte hinter ihm herrief, durchquerte den Raum in raschen Schritten.
Olafs Stimme versagte, und er fürchtete ohnehin, dass diese in der Geräuschkulisse der Bar untergehen würde.
Ebenso wenig brachte Olaf es über sich, eine Hand, oder auch nur einen Finger zu heben, als er Christian erreichte.
Der Mann, der mittlerweile seine Lippen verdächtig nahe an Christians Hals gebracht hatte, während derjenige in seinem Rücken ihm näherkam, seine Hände auf die Seiten des Jüngeren legte, registrierte seine Ankunft nicht, und auch Christian reagierte keineswegs.
Im Gegenteil, er schien im Moment gefangen zu sein, lächelte und neigte den Kopf zur Seite, nachgiebig, Einverständnis demonstrierend.
Und doch bahnte sich eine unbewusste Reaktion an, kaum erkennbar für jemanden, der nicht
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