Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Olaf rief den Namen fast, in dem Wunsch den Jüngeren zum Schweigen zu bringen.
„Wie ist es mit dir?“, fuhr dieser dennoch fort, als bemerkte er den unausgesprochenen Einwand des Bruders nicht.
„Ich… wir sollten nicht darüber sprechen“, brachte Olaf hervor. Er konnte es nicht, konnte Christian nicht die Wahrheit sagen, ihm gegenüber nicht zugeben, was oder wen er an diesem Ort gesucht hatte.
„Ich… ich meine… wenn wir beide…“
Christian schluckte vernehmlich. „Es wird nie jemand erfahren. Keiner von uns wird darüber sprechen, davon wissen. Und wir… ist es nicht so, dass wir uns beide danach sehnen?“
Olaf sah zu ihm. Christians Augen waren wieder geschlossen, seine Wimpern zitterten leicht.
Es lag an ihm, an Olaf. Er musste die Kontrolle behalten.
„Das wird nie passieren“, sagte er fest. „Niemals.“
*
Christian schwieg den Rest der Fahrt und so hörte Olaf nur auf das unruhige Pochen seines Herzens, auf das Rauschen des Blutes in seinen Adern, bis er in den Parkplatz vor dem Apartment-Block seines Bruders einfuhr.
Er blieb am Steuer sitzen und seine Hände zitterten, als er versuchte, sie an ihrem Platz zu lassen. Doch dies gelang ihm nur solange, bis Christian seine Finger mit der eigenen Hand bedeckte und sie auf diese Art zur Ruhe brachte.
„Komm mit herauf“, sagte er leise und Olaf gehorchte, obwohl alles in ihm schrie, dass er sich umdrehen und fliehen sollte, so schnell und so weit wie möglich. Nicht nur für sein eigenes Seelenheil, sondern gerade für das Christians.
Sie nahmen die Treppen in schnellen Schritten. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand Christian das Schloss seiner Tür und nur einen Augenblick später schloss diese sich hinter ihnen.
Mehr als dieses Geräusch war nicht nötig, und Olaf fand sich wieder mit seinen Armen um den Jüngeren, mit seinem Gesicht in dessen Haar gepresst.
„Ich liebe dich“, wisperte Christian. „Du weißt, dass ich dich liebe.“
‚Ich weiß‘, wollte Olaf antworten, doch er brachte kein Wort hervor. Es war nicht möglich, dass er die Worte erwiderte, nicht jetzt, soviel wusste er noch, als alles um ihn versank und nur noch Christians Wärme zählte, die sich an ihn schmiegte, ihn von innen erhellte, seinen Schmerz forttrieb.
„Küss mich“, flüsterte Christian und Olaf neigte sein Gesicht zu dem Jüngeren und presse seine Lippen auf die seinen, auf den roten Mund, der sich sofort unter ihm öffnete, sich anbot mit einer Bereitwilligkeit, die Olaf betäubte.
Er schmeckte das Getränk, das Christian gehabt hatte, schmeckte die Bar, doch vor allem schmeckte er Christian und für einen Moment erzitterte er.
‚Mein Bruder‘, flammte ein Gedanke in ihm auf, doch versank sofort wieder, als Christian über Olafs Lippen leckte, als diese sich bereitwillig, und ohne, dass der Ältere Einfluss darauf nehmen konnte, öffneten.
Christians Zunge glitt erneut über Olafs Lippen und Zähne, erforschte dessen Mundhöhle, begegnete Olafs eigener. Sie duellierten sich, tanzten miteinander, bis Olaf glaubte, dass ihm die Sinne schwanden und er mit einem Laut, der am ehesten einem leisen Wimmern glich, den Kontakt löste.
Seine Knie waren weich, sein Körper fühlte sich an wie Gelee und als Christian ihn mit sich zog, konnte er nichts dagegen setzen.
Sie landeten auf Christians Bett. Olaf fühlte nebelhaft, wie er dorthin dirigiert wurde, mit dem Rücken auf der Matratze niedersank.
Irgendwann im Laufe des Weges, musste Christian ihm geholfen haben aus seiner Jacke zu schlüpfen, doch Olaf konnte nicht mehr angeben wann oder wie das geschehen war.
Mit einem Mal lag er unten und Christian der Länge nach auf ihm. Sie küssten sich wieder. Olafs Wangen, sein Kinn, seine Lippen waren feucht von den Küssen, die Christian unermüdlich verteilte.
Und er ließ es geschehen, klammerte sich an den anderen, erlaubte seinen Händen, seinen Fingern Christians Rücken hinauf und hinunter zu laufen, jeden Muskel, jeden Knochen, jedes Schulterblatt zu erforschen und zu liebkosen.
Was er nicht sagen konnte mit Worten, sagte Olaf mit seinem Körper.
Er war hart und er fühlte, dass auch Christian hart war.
Ihre Körper rieben gegeneinander, während ihre Lippen sprachen, mal zärtlich, mal mit leidenschaftlicher Kraft. Ihre Zähne stießen gegeneinander und sie rangen nach Atem, doch keiner von ihnen konnte aufhören.
Und es fühlte sich nicht falsch an. Es war richtig, es war das, worauf Olaf gewartet hatte, das was er
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