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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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verboten und krank wirkten. In diesem Augenblick verschwanden die Grenzen wie von Zauberhand, sanken die Barrieren, löste sich jeder Einwand in Nichts auf.
    Nur ein Schritt trennte sie und dann presste Olaf Christian gegen den Wagen, schlang seine Arme um die schmalen Schultern und barg sein Gesicht im Nacken des anderen.
    „Es tut mir so leid“, flüsterte er, während seine Augen zu brennen begannen.
    „So leid“, wiederholte er und hielt ihn fester, als Christians Hände um seine Hüften wanderten, sich in Olafs Rücken wiederfanden.
    „Es ist okay“, wisperte Christian und Olaf hörte die Tränen in der Stimme des Jüngeren. „Es ist okay. Niemand wird es je erfahren.“
    Ein Laut wie ein Schluchzen entrang sich Olafs Kehle und er presste seinen Körper fester gegen den Christians, so fest, dass es diesem weh tun musste. Doch Christian erhob keinen Einwand, er erwiderte die Umarmung mit einer verzweifelten Sehnsucht, die Olaf nur zu gut erkannte.
    Ihre Glieder berührten sich durch den Stoff der Kleidung hindurch und Olaf stöhnte.
    Und doch konnte er ihn nicht loslassen, konnte den Gedanken nicht ertragen, wie eiskalt es erst sei, wenn sich ihre Körper voneinander lösten.
    Die Kälte der Nacht umgab sie beide und für Olaf war es, als wäre Christian der einzige Halt, der einzig existierende Quell der Wärme, der ihn vor dem Erfrieren schützen konnte.
    „Rette mich“, flüsterte er, ohne sich der Worte bewusst zu sein. „Beschütze mich vor mir selbst.“
    „Sch…“ Christians Finger wanderten Olafs Rücken hinauf, gruben sich in verspannte Muskeln.
    „Wir kriegen das hin“, versprach er und begann Olafs Kinn, seine Wange, jedes Stückchen Haut, das er erreichen konnte, zu küssen.
    „Es ist in Ordnung.“
    Olaf zitterte und Christian küsste ihn weiter, offene, feuchte Küsse, die der Ältere in seinem Gesicht fühlte, an seinem Hals.
    Er wollte sprechen, sich bewegen, zurückweichen vor dem Körper des anderen, doch er schaffte es nicht.
Christian musste es tun, Christian war es, der ihn entließ, der den allzu festen Griff löste, Olaf atmen ließ, zur Besinnung kommen, erkennen, dass die Kälte ihn nicht tötete.
    Seine Hände hielten immer noch Olafs Arme, so wie Olafs Finger Christians Arme berührten, die seltsame Verbindung aufrecht erhielten.
    Keiner von ihnen sah den anderen an, gerade als wäre Augenkontakt in diesem Moment zu viel verlangt.
    „Bring mich nach Hause“, sagte Christian. „Bring mich… wohin du gefahren wärest, wenn du mich nicht gesehen hättest.“
    Olaf schluckte. Die Trennung tat beinahe körperlich weh, und doch vollzog er sie, umrundete sein Auto, nestelte nach dem Autoschlüssel, bevor er die Wagentür öffnete.
    Noch bevor er sich hinter das Steuer setzte, lehnte er sich zu Christian hinüber und öffnete die Verriegelung von innen.
    Nur einen Moment später befand sich der Jüngere neben ihm und der Wagen glitt wie ferngesteuert die Straße entlang.
    „Ich… ich bringe dich in deine Wohnung“, sagte Olaf rau.
    Christian schwieg für eine Weile.
    „Wohin wärst du gegangen?“, fragte er dann leise.
    „In ein Hotel“, murmelte Olaf leise genug, dass er glaubte, der Jüngere könnte es nicht hören.
    Doch dieser hatte ihn verstanden, nickte.
    „Ich auch“, sagte er beinahe ebenso leise und überlegte einen Augenblick. „Oder zu einem von ihnen.“
Olafs Herz verkrampfte sich. „Ich will das nicht hören“, stieß er hervor.
    „Das… das meinte ich nicht“, beeilte Christian sich zu versichern und sah unglücklich zur Seite. „Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich niemanden zu mir nehme. Nicht in das Apartment.“
    „Wieso nicht?“ Olaf glaubte selbst nicht, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte. Und doch wartete er auf die Antwort.
    Christian zuckte mit den Schultern. „Es erschien mir nie richtig“, antwortete er. „Dort sind wir zusammen. Ich wollte nicht, dass jemand das kaputt macht.“
    „Chris!“ Olaf schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, dass wir nie… dass wir niemals…“
    „Ich weiß.“ Christians Stimme brach und Olaf spürte, obwohl er seine Aufmerksamkeit auf die Straße konzentrierte, dass der Jüngere seine Augen auf ihn richtete.
    „Immer wenn ich… ich habe mir immer jemanden ausgesucht, der mich an dich erinnerte. Immer.“
    Olaf presste die Lippen zusammen, doch Christian sprach weiter.
    „Er musste aussehen wie du, zumindest ein wenig. Oder deine Haltung besitzen, deine Figur…“
    „Chris!“

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