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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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verdiente Strafe in Empfang zu nehmen.
Olafs Gesicht brannte vor Scham und Empörung, als er sich den verlängerten Rücken rieb und zusah, wie sein Vater den schweren Gürtel wieder an die Wand hing.
    Als ihm das letzte Mal etwas Vergleichbares zustieß, war er noch ein Kind gewesen, ein dummes Kind, das es nicht besser wusste. Doch nun, nach all den Erfahrungen, die er im Internat gesammelt hatte, schmerzte das Bewusstsein der Peinlichkeit stärker, als die Hiebe.
    „Wir müssen uns auf dich verlassen können“, bemerkte Hannibal. „Zuviel hängt davon ab, dass du erkennst, worauf es ankommt.“
    Olaf presste die Lippen zusammen und er nickte stumm. Gerade als Hannibal zu einem weiteren Vortrag ansetzen wollte, erlöste der Auftritt seiner Mutter Olaf, lenkte jede Aufmerksamkeit von ihm ab.
    „Helena! Du sollst doch nicht…“, herrschte Hannibal seine Frau an. Diese antwortete mit einer Grimasse. „Es ist zu spät, er kommt.“
    Olaf fühlte sich noch mehr beiseite geschoben, als Hektik in dem Haus ausbrach. Hannibal schickte das Hausmädchen nach Helenas Tasche, half dann seiner Frau aus der Tür und in das wartende Auto.
    Mit großen Augen starrte Olaf dem davonfahrenden Wagen hinterher, zuckte zusammen, als das Hausmädchen ihm liebevoll ihre Hand auf die Schulter legte. „Bald hast du einen kleinen Bruder“, flüsterte sie ihm lächelnd zu.
    ‚Hurra‘, dachte Olaf verbittert. Wie es für ihn aussah, konnte es nur schlimmer werden.
    Ein Tag und eine Nacht vergingen und Olaf bemerkte kaum den Unterschied zu den ersten Tagen seines Aufenthaltes daheim. Lediglich ein wenig mehr Freiheit schien ihm in dem immer noch dunklen Gemäuer zu herrschen, eine nicht zu erklärende Gelassenheit, die jedoch endete, als der Wagen wieder vor dem Haus hielt.
Olaf lief die Treppe hinunter, konnte sich nicht zurückhalten. Auf eine merkwürdige Art aufgeregt, kam es ihm vor, als dürfte er nicht verpassen, was als nächstes passieren sollte.
    Seine Mutter wirkte blass und erschöpft, jedoch stieg sie ohne weitere Hilfe aus und legte den Weg zum Haus zurück.
    Sie nickte dem Hausmädchen zu, lächelte schwach, als sie sich an Olaf vorbeibewegte, doch erlaubte keinem Ton, ihre Lippen zu verlassen.
    Olaf runzelte die Stirn und sah ihr ein wenig besorgt hinterher, als sie langsam, doch zielstrebig die Treppe hinaufstieg und in Richtung ihres Zimmers verschwand. Erst jetzt wandte er seine Aufmerksamkeit der Limousine zu, die mit immer noch laufendem Motor darauf wartete, dass der Fahrer sie in die Garage parkte.
    Hannibal lehnte sich in den Wagen und hob dann einen großen Korb heraus. Zumindest schien es Olaf einem Korb zu gleichen, der jedoch unter den Lagen weicher, hellblauer Decken und Kissen kaum zu erkennen war.
    Olaf reckte den Hals, aber trotz aller Anstrengungen konnte er nichts erkennen, als sein Vater das unförmige Gebilde an ihm vorbei ins Haus transportierte.
    Wie ein neugieriges Hündchen und ohne selbst erkennen zu können, was diese Faszination auf ihn ausübte, folgte Olaf Hannibal ins Haus und dann die Treppe hinauf. Er versuchte einen Blick in das Zimmer seiner Mutter zu werfen, als sie daran vorbei liefen, aber der Spalt, den diese offen stand war zu gering, als dass er hätte etwas erkennen können.
    „Geht es Mutter gut?“, murmelte er nachdenklich und erwartete im Grunde nicht, dass sein Vater ihn hörte. Doch zu Olafs Überraschung antwortete dieser ihm tatsächlich. „Es geht ihr gut. Sie braucht nur viel Ruhe.“
    Olaf nickte, obwohl er nicht viel verstand und sich immer noch fragte, was es mit dem Bündel, das sein Vater nun aus dem neben dem Kinderbettchen abgestellten Korb heraushob, auf sich hatte. Weder bewegte sich dieses, noch gab es einen Ton von sich und Olaf begriff nicht, worum sich die ganze Aufregung gedreht hatte.
    Bis Hannibal ihn einen Moment nachdenklich ansah. „Setz dich in den Schaukelstuhl“, ordnete er dann an und als Olaf gehorchte, legte er ihm ohne weitere Umschweife das hellblau eingewickelte Baby in den Arm.
    „Aber…“ Olaf verharrte stocksteif vor Schreck. „Du musst seinen Kopf stützen“, befahl ihm Hannibal. „Das ist dein Bruder Christian. Er wird zu dir aufsehen und du wirst ihn nicht enttäuschen.“
    „Nein, Vater“, versprach Olaf. Sein Blick klebte an dem komischen, zerknautschten Wesen, das so ganz anders aussah, als er sich trotz aller Bemühungen, es nicht zu tun, das pausbäckige, rosafarbene Baby vorgestellt hatte.
    „Soll es… soll er so

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