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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gefangenen befand, blieb der Kraushaarige stehen. »So, nun können wir miteinander reden. Was meint ihr?«
    Tschetansapa schüttelte den zylinderbewehrten Kopf. »Verstehen kann ich deinen Plan nicht.«
    »Die hagersten Krieger scheinen zuweilen die magersten Gedanken zu haben. Es ist alles auf dem Weg. Heute nacht muß nun Chef de Loup den Tatokano heimlich befreien.«
    »Ich? Nein!« Der Delaware lehnte ab.
    »Doch! Dir wird er vertrauen, weil du bei den Langmessern gedient hast. Er wird dann zu den Milahanska der Nordforts laufen und ihnen alles, was ich ihm jetzt erzählt habe, als großes erlauschtes Geheimnis mitteilen. Sie werden ihm glauben und zu ihren Forts zurückreiten, weil sie fürchten, daß wir sie dort überfallen.«
    Tschetansapa nahm den Zylinder ab, als ob er sich den Kopf auslüften müsse, und strich sich über das Haar. »Du bist klug, Tschapa, und unrecht hast du nicht. Wir können das versuchen.«
    »Hau!« Auch Chef de Loup entschloß sich mitzuspielen.
    Die Männer kehrten zu ihrem Lagerplatz im Gehölz zurück und benutzten die ihnen verbleibenden Tagesstunden, um zu schlafen. Als Tschetansapa die anderen wieder weckte, war es schon dunkel, und aus den Wolken rieselte es leise herab. Chef de Loup schlich sich auftragsgemäß zu Tatokano, um ihm die Fesseln zu lösen. Er gab ihm dabei noch einmal den Ratschlag, so schnell wie möglich zu den Nordforts zu laufen und dort zu berichten, was er erfahren habe; das sei seine einzig mögliche Rettung. Der Späher im Baum konnte dann bald den Flüchtling beobachten, der nach einer kurzen Strecke geduckten Fortschleichens aufsprang und wie eine windschnelle Antilope nordwärts im Dunkel verschwand.
     
     
     

 
Bruderkampf
     
    Tschetansapa und seine Freunde begannen den nächtlichen Scheinangriff auf das Teichlager des Captain Roach. Die Hufschläge polterten auf dem Grasboden. Die Pfützen spritzten ihren Schmutz bis zum Bauch der Tiere und über die Beine der Reiter. Es war stockfinster, da die Regenwolken Mond und Sterne verdeckten, recht eine Nacht für Unternehmungen, die nicht durchschaut sein wollten.
    Einzeln umkreisten die Dakota die Anhöhe und den Teich auf ihren schnellen Tieren. Sie näherten und entfernten sich. Immer wieder erklang um die feindliche Stellung das hohnvolle: »Hijah!« wie ein Ruf unsichtbarer Nachtgespenster. Schüsse knallten bald nah, bald fern. Die Hunde der Schwarzfüße jaulten am Teich in langgezogenen Tönen. Von der Anhöhe und dem Teich her antworteten einzelne Flinten. Es war sicher, daß Roach und seine Leute in dieser Nacht, ihrer Angst nach gemessen, mehr als einen Tod starben.
    Wie Tschetansapa schon ausgesprochen hatte, war die Erinnerung an General Custer, dessen Truppe von den Dakota vollständig vernichtet worden war, noch frisch bei Offizieren und Mannschaften. Es war kein Zweifel, daß Roach und seine Truppe am nächsten Tag samt der Lagerpolizei den Rückzug nach Süden antreten würden. Was ihn dort aber erwarten würde, war gewiß nicht die Beförderung zum Major.
    Wie verabredet traf sich Tschetansapa während des nächtlichen Scheinangriffs hin und wieder mit Chef de Loup. Der Delaware machte dabei den Vorschlag, daß er die undurchdringliche Finsternis benutzen wolle, um sich in das feindliche Lager zu schleichen und dort vielleicht noch etwas zu erfahren. Tschetansapa stimmte zu, bat aber den Delawaren, nicht lange zu verweilen, da man bald gegen Norden aufbrechen und den Wanderzug wieder einholen mußte. Bei dem warmen Regen bestand Gefahr, daß das Eis des Gelbsteinstromes brach und den Reitern der Weg zu Tokei-ihto durch den Eisgang abgeschnitten wurde. Während Chef de Loup seinen Vorschlag ausführte, ritt Tschetansapa mit den anderen Gefährten weiter um das Lager. Dabei machte er einmal eine Beobachtung, die ihn wundernahm. Auf den Wiesen stand ein lediges Pferd und weidete. Obwohl Schwarzfalke auf seinem Ritt schon mehrmals an der Stelle vorbeigekommen war, hatte er dieses Tier bis jetzt nicht bemerkt. Wie kam es dahin? Vielleicht war es ein entlaufenes Pferd aus der Koppel, das sich von der Herde getrennt hatte. Das schien das wahrscheinlichste.
    Tschetansapa wollte es sich nehmen. Man konnte nie zuviel Pferde besitzen. Er ritt im Schritt heran, um das Tier nicht zu verscheuchen. Das Geräusch des Rupfens am Gras hörte auf, das Tier mußte auf den Herankommenden aufmerksam geworden sein und den Kopf gehoben haben. Tschetansapa wollte eben nach dem Zügel des fremden Pferdes

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