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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ein, und bei der Kälte müssen sie noch ein bißchen mehr saufen, die Weißen und die Roten.«
    »Den Dakota auf der Reservation ist das Trinken doch streng verboten.«
    Der Wirt lachte dröhnend. »Darum bezahlen die Herren Lagerpolizisten ja so gut bei mir!«
    Johnny trank weiter. Allmählich sank ihm der Kopf zu einem Nickerchen herunter auf die Brust. Es dauerte aber nicht lange, bis er wieder wach wurde. Er schien nicht vergessen zu haben, was gesprochen worden war. »Jetzt sind sie nämlich grade drin, Oberhäuptling Blutiger Tomahawk, Dakota & Co.«, erzählte er. »Beim Freddy Red Fox sind sie drin, um sich über die Hungerlieferungen zu beschweren. Sie führen Klage, und es wird ihm sehr schwerfallen, sie wieder so schnell hinauszuwerfen wie das letztemal. Er wird sich wohl ein paar stundenlange Reden anhören müssen.«
    »Ist Schonka auch dabei?« forschte Tobias.
    »Ja, natürlich. Der Schonka ist immer dabei. Dafür sorgt schon Red Fox, denn Schonka hält doch zu ihm.«
    »Dann kann man also vorläufig gar nicht zu Freddy rein?«
    »Nein, das wird sich schlecht machen lassen. Kannst du deine Sache nicht mit jemand anderem erledigen? Worum geht es denn?«
    »Hier, meinen Freund Harry muß ich anmelden.«
    Der Wirt betrachtete den Dakota aufmerksam. »Harry? Der die Munitionskolonne überfallen und das Fort am Niobrara damals in die Luft gesprengt hat?«
    »Ja«, bestätigte Tobias lächelnd.
    »Und der so lange gefangen war? Liegt dir viel dran, die Sache schnell zu erledigen? Dann mußt du ein paar Drinks für den Sekretär ausgeben. Der Sekretär ist heute zufällig da.«
    »Die Dollars kann er haben. Am besten geht das durch dich?«
    »Ja, ich will dir den Gefallen tun. Gib den Kram mal her!«
    Tobias zog ein Schriftstück hervor. »Er soll nur darunterschreiben, daß er es gesehen hat und damit einverstanden ist, daß Harry Tokei-ihto sich zu seiner Stammesabteilung, der Bärenbande, begibt.«
    »Das kann ja nicht schwerhalten.« Der Wirt nahm das Schriftstück und ging.
    Es dauerte nicht lange, bis er zurückkehrte. »Schade«, sagte er und zuckte bedauernd die Achseln. »Charly ist nicht in seinem Zimmer. Wir müssen noch etwas warten.«
    Vor dem Haus hörte man Stimmen. Die Tür wurde aufgerissen, kalte Luft strömte in den Raum. Ein halbes Dutzend schwerbewaffneter, in Leder und Pelz gekleideter Männer mit knallbunten Halstüchern drängte sich herein. Der Dakota erkannte unter ihnen Louis, den Canadier, und den stummelnasigen Pitt.
    »Hallo! Johnny!« riefen die neuen Gäste dem Wirt zu, der sich langsam und mit Selbstbewußtsein erhob. »Schnell einen Drink! Und was hast du zu essen, du gemästeter Ochse?« Die Männer stampften dröhnend auf den Bretterboden. Da die Wärme im Haus und der Geruch von Branntwein und Bratfleisch sie guter Laune machte, stampften sie im Takt und lachten. »Schnell, Johnny, schnell, Johnny!« riefen sie halb singend im Chor. »Brandy, Brandy, Bärenschinken!«
    Der Wirt ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er holte sechs Becher, ordnete sie in Reih und Glied auf dem Tisch und goß ein, ohne einen Tropfen zu verschütten. Seine fleischigen Pranken waren viel geschickter und flinker, als man auf den ersten Blick glauben mochte. Die Männer kamen herein, griffen zu den gefüllten Bechern und schütteten den Fusel hinunter. Auch der jüngste der sechs, ein hübscher Bursche von etwa 16 Jahren, tat ohne Zögern mit.
    Johnny holte vier große geräucherte Bärenschinken herbei. Zwei hatte er rechts und links im Arm wie kleine Kinder, die beiden anderen trug er am Knochenende in der Hand. »Hallo, Gentlemen! Meint ihr, ich gebe euch nicht besser zu essen als der Freddy seinen Rothäuten?«
    Die Männer lachten noch lauter. Louis warf seine Bibermütze in die Luft, so daß sein halblanges schwarzes Haar sichtbar wurde. »Johnny-Jean, mein Bruder«, rief er mit seinem den Männern fremdartigen französischen Akzent, »wir raten dir, uns gut zu füttern! Sonst würde unser Pitt mit der kurzen Nase dich selber schlachten und braten. Es wäre schade um dich, Jean!«
    Die Schinken wurden verteilt, die Männer hieben ein. Zum zweitenmal wurden die Becher gefüllt. Der Wirt setzte sich vertraulich neben den Canadier und hielt mit.
    »Johnny-Jean, mein Bruder«, der schlanke Langhaarige sprach im Kauen, »heute ist Abschied! Verstehst du! Du mußt uns freihalten! Hier dem hübschen jungen Philipe gibst du doppelte Ration! Er ist mein Schützling, und er muß noch

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