Über den Missouri
ihn wird aufgepaßt, oh, mon dieu, sehr gut aufgepaßt! Crazy Horse kann sich nicht rühren; viele möchten ihn und seine Männer gleich erschießen und erstechen.«
Das Gespräch wurde unterbrochen. Johnny kam wieder. Er war nicht allein. Langsam, mit betonter Würde in Schritt und Kopfhaltung, war ein Indianer mit ihm durch die Tür gekommen und ließ sich jetzt ebenfalls an dem großen Tisch bei der Wandbank, Tobias und Tokei-ihto gegenüber, nieder. Er trug den Adlerfederschmuck, den er tief in die Stirn gesetzt hatte. Sein Gesicht zeigte einige typische Merkmale des Dakota: die bronzene Hautfarbe, die gebogene Nase, die kräftig ausgebildeten Backenknochen.
Das persönlich Charakteristische waren die kleinen Augen; er blinzelte. Die Stirn war breit, aber niedrig. Der junge Häuptling kannte diesen Indianer. Das war Blutiger Tomahawk. Ob der neue Oberhäuptling auch den jungen Anführer der Bärenbande wiedererkannt hatte oder ob ihm der durch Gefangenschaft und Krankheit ausgezehrte Mann fremd erschien, blieb offen. Blutiger Tomahawk hatte nur Tobias kurz begrüßt.
Als Begleitung des Blutigen Tomahawk tauchte eine sehr merkwürdige Figur auf. Es war ein junger Indianer, schlank und lang; in seinen Zügen war keine Spur von Intelligenz zu finden. Er trug einen Zylinderhut und eine blaue Uniform mit goldenen Troddeln und Tressen. An der Seite hing ein langer Schleppsäbel, in der Hand hielt er auf eine geckenhafte und lächerliche Art die Reitpeitsche mit silbernem Knopf. Er schwänzelte am Tischende ein paarmal hin und her und schien zu glauben, daß alle ihn bewunderten.
Inzwischen waren noch sieben weitere bewaffnete Indianer eingetreten, unter ihnen Schonka. Auch Tobias, der diesen Mann bisher nur ein einziges Mal in seinem Leben gesehen hatte, wußte sofort, wer er war. Schonka hatte der Bärenbande angehört. Er setzte sich zu Blutigem Tomahawk und betrachtete den entlassenen Gefangenen, seinen ehemaligen Häuptling, unentwegt auf eine herausfordernde Art. Aber sein Blick stieß auf Tokei-ihtos Verschlossenheit wie auf eine undurchdringliche Wand.
Johnny gab Tobias ein Schriftstück. »Hier – alles in Ordnung, was Harry anbetrifft.«
Tobias nickte dankend und schob dem Wirt Geld hin. Johnny schien sehr zufrieden. »Also in Begleitung der Lagerpolizei kann sich Harry zur Bärenbande begeben und dort wieder in seinem Zelt wohnen«, sagte er. »Das hat Charly unter den Brief geschrieben.«
»Legt mir den Brief vor!« verlangte Blutiger Tomahawk, der die Worte verstanden hatte. »Ich bin der Oberhäuptling, und ich gebiete über die gesamte Polizei bei unseren Zelten!«
Tobias reichte dem Indianer das Schriftstück. Dieser faltete es auseinander und ließ es sich von Johnny vorlesen.
»Der weiße Mann hat wieder einmal geschrieben, was er nicht schreiben darf«, bemerkte Blutiger Tomahawk aufgebracht. »In welchem Zelt Tokei-ihto wohnen wird, bestimmen nicht die weißen Männer, sondern die Dakota. Die Ratsversammlung der Bärenbande aber hat beschlossen, ihn nicht wieder in ihren Zelten aufzunehmen. Sein Tipi ist zerstört. Der Sohn Mattotaupas kehrt nicht heim. Hau.«
Blutiger Tomahawk hatte laut gesprochen. Es war nicht nur an seinem eigenen Tisch, sondern auch an dem der Kartenspieler bei seinen Worten still geworden, und alle schauten auf ihn und auf den jungen Dakota, Mattotaupas Sohn.
Der entlassene Gefangene rührte sich nicht und sagte kein Wort.
»Fügst du dich?« fragte Schonka drohend.
Tokei-ihto blieb stumm.
Der Delaware empfand, was sich hinter dem Schweigen verbarg. Tobias selbst war auf einer Reservation geboren und hatte seit seinem 14. Lebensjahr unter Weißen gelebt. Dennoch war diesem Urenkel angesehener Ratsmänner niemals das Verständnis dafür verlorengegangen, wie ein Krieger und Häuptling dachte und handelte. Er fühlte die wachsende Spannung zwischen Schonka und Tokei-ihto, er ahnte auch, daß diese Feindschaft lange zurückreichen und bereits unausrottbar tiefgreifende Wurzeln haben mußte. Andeutungen darüber waren Tobias schon oft zu Ohren gekommen.
Schon bei den Knabenspielen hatte Tokei-ihto, der damals Harka genannt worden war, den um einige Jahre älteren Schonka stets übertroffen, nicht auf Grund von Muskelkraft oder Gewicht, sondern durch seine blitzschnelle Reaktionsfähigkeit und Entschlußkraft und durch seine körperliche Gewandtheit. Schonka war kein Charakter, der zu verlieren verstand. Tokei-ihto aber war weder der Knabe gewesen, noch war er der
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