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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Totems der weisen Häuptlinge zerrissen. Ist das wahr?«
    »Jackman bot mir selbst eine Sonderrente und für die Bärenbande gute Stücke Landes, wenn ich unterzeichnen wollte, was ich nach dem Beschluß unserer Ratsmänner nicht unterzeichnen durfte. Ich habe nein gesagt zu diesem Verrat, ich habe uns und unser Land nicht verkauft. Ich habe die Totems der Verräter zerrissen.«
    »Du hast die Bärenbande um das gute Land betrogen, und deinetwegen muß sie jetzt hungern! Wir haben dein Zelt zerstört, und niemals wirst du zu uns zurückkehren.«
    »Ihr hattet kein Recht, über mich zu beschließen, ohne mich zu hören. Ich verlange, daß du mich zu den Zelten der Bärenbande begleitest, so wie es auch die Langmesser erlaubt haben, und die Versammlung der Ältesten berufen wird, damit ich vor ihr berichte.«
    »Du hast nichts zu verlangen! Wenn du nicht gehorchen willst, werde ich dich zu zwingen wissen! Setz dich hin und schweig, oder wir verhaften dich sofort! Wir alle wissen, daß du ein Parteigänger von Sitting Bull und Crazy Horse gewesen bist!«
    Tobias schaute unentwegt auf den jungen Häuptling. Selbst ein Schonka hätte sich schämen sollen, diesen Mann, der aus Ketten krank zurückkehrte, auf eine so niederträchtige Weise zu begrüßen. Noch vor zwei Generationen wäre bei den Dakota ein solches Verhalten selbst unter persönlichen Rivalen unmöglich gewesen.
    Aber die Watschitschun hatten mit ihrem Brandy den Stamm gespalten und die alten Sitten zerstört, sie hatten das Selbstbewußtsein der freien Krieger zusammengeschossen, und sie kannten Bestechungsmittel genug, um elende Verräter zu machen.
    Tokei-ihto gehorchte nicht. Er blieb stehen. Der Delaware erschrak von neuem. Wenn der entlassene Gefangene begann, Widerstand zu leisten, war er verloren.
    Der riesige Johnny griff noch einmal ein. Er trat vor Schonka, schob ihn mit dem Schwergewicht seiner Person einfach zurück und drängte ihn auf den nächsten Stuhl.
    Schonka ließ sich das widerspruchslos gefallen. Er mußte gute Gründe haben, sich mit dem Wirt nicht zu überwerfen. Wahrscheinlich hatte er schon zu oft dem verbotenen Branntwein zugesprochen und war dadurch von Johnny abhängig. »Was tobst du hier herum, Schonka!« Johnnys Trinkerstimme klang rauh und gebieterisch. »Wir trinken noch eins und sprechen weiter! Bei mir gibt es keine Hahnenkämpfe.«
    Bei den letzten Worten sprang an Schonkas Stelle ein anderer vor. Pitt, der entlassene Rauhreiter mit der verstümmelten Nase. Pitt war weder rauflustiger noch mutiger als ein durchschnittlicher Cowboy, aber ohne Geld, ohne Brandy, mit gescheiterten Hoffnungen und ohne Anstellung wurde er unfriedlich.
    »Keine Hahnenkämpfe?!« schrie er. »Was bildest du dir denn ein, du massiges Ungeheuer von einem Wirt? Uns nicht freihalten? Uns nicht einmal zum Abschied zu fressen und zu saufen geben? Und uns verbieten wollen, was das Recht von jedem freien Bürger ist? Wenn mich nach einem Hahnenkampf gelüstet, dann gelüstet mich danach, verstehst du, und dann wird auch gekämpft … Stell dich nicht in meinen Weg, oder du lernst mein Messer kennen …« Er hatte die Stoßklinge in der Hand.
    Johnny wich dem Wütenden erschrocken aus. »Halt die Schnauze, Pitt«, sagte er dabei, »deine Nase ist schon weg – willst du auch noch ein Auge dazu riskieren?!« Der sogenannte Hahnenkampf war eine Grenzergewohnheit, ein Kampf, bei dem jedes Mittel erlaubt war und der mit allen erdenklichen Roheiten geführt wurde. Verstümmelte Nasen, ausgequetschte Augen erzählten von solchen Scheußlichkeiten.
    Pitt ließ sich nicht mehr zurückhalten. »Den frechen roten Hund da«, rief er, »den Meuchelmörder und Messerstecher, den kennen doch alle Grenzer von Platte, Black Hills und Niobrara. Wie kommt der überhaupt hierher! Dem werde ich endlich Manieren beibringen! Wenn die Lagerpolizei zu feige dazu ist, dann werde ich das schaffen, und der Freddy soll erfahren, wer hier für Ordnung sorgt, seine saufenden Polizisten oder ein entlassener Rauhreiter! Den Burschen leg ich dem Red Fox vor die Füße, dann hab ich meine Anstellung, die mir versprochen ist!«
    Der junge Häuptling, von dem die Rede war, schien überhaupt nicht zugehört zu haben; seine Haltung begann gleichgültig, sein Blick verloren zu wirken. Pitt konnte den ausgezehrten Mann für eine leichte Beute halten. Er stürzte sich auf den Indianer.
    Aber unerwartet und im Nu hatte dieser pariert. Er hatte die Rechte des Angreifers gepackt und verdreht, so

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