Ueber den Tod hinaus
Helligkeit war kaum nennenswert, aber sie genügte, um Darrens Vermutung zu bestätigen.
Zum zweiten Mal in dieser Nacht glotzten ihn tote Augen an!
Aus dem bleichen Gesicht einer jungen Frau.
Die Haut war sichtbar teigig, von bläulichen Leichenflecken überzogen. Darren erkannte unschwer, daß die Frau seit mehreren Tagen tot war.
Und er war sich sicher, daß in ihren Adern kaum noch ein Tropfen Blut zu finden sein würde.
Leslie Bentwick?
Seven van Kees' markerschütternd schriller Schrei machte auch diese Vermutung zur Gewißheit.
Sieht man am Haus doch gleich so deutlich, wes Sinnes der Herr sei. Johann Wolfgang von Goethe Stolz und Zufriedenheit waren für Lilith Eden endlich mehr als nur Worte.
Sie war stolz. Auf ihr Schaffen und Tun.
Und sie war zufrieden. Mit ihrem Leben. Denn endlich verdiente ihre Existenz diese Bezeichnung. Vorbei waren endlich die Zeiten des Zweifelns und Zauderns. Lilith war gereift in zweijährigem Schlaf, nachdem sie ihre große Schlacht - die größte Schlacht vielleicht, die auf Erden je geschlagen worden war! - ausgefochten hatte, wenn auch nur als Spielball zweier urgewaltiger Mächte, als Zünglein an der Waage zwischen Gut und Böse. 1
Für ihren Dienst in diesem Kampf um die Menschheit selbst war Lilith entlohnt worden - von Gott selbst! ER hatte sie in ihre Wiege zurückgebracht - 333, Paddington Street, Sydney -, und in tiefsten Schlaf versetzt, in dem nicht nur ihr Geist und Körper Heilung erfahren hatten, sondern auch ihr Ego gestärkt worden war.
Lilith haderte nicht mehr mit ihrem Schicksal. Sie hatte keine Mühe mehr zu akzeptieren, daß sie ein Kind zweier Welten war, zur Hälfte nur menschlich, zur anderen Vampirin. Und ebenso leicht nahm sie hin, was dieses Dasein bedeutete und verlangte -- den Durst nach Blut.
Es brachte sie nicht mehr in Gewissensnöte, Menschen zur Ader zu lassen. Statt dessen betrachtete Lilith dies als Preis, den sie ihr zu zahlen hatten - dafür, daß sie unter ihrem Schutz standen. Daß Li-lith ihre übermenschliche Kraft und Macht zum Wohle dieser Welt einsetzte. Und es war nun einmal so, daß es nichts auf dieser Welt umsonst gab, für niemanden .
Klassische Musik erfüllte das Haus in der Paddington Street. Ob -wohl nirgends ein Lautsprecher oder die Quelle der Klänge zu sehen war.
Lilith selbst ließ sie entstehen, aus ihrer Erinnerung heraus, versetzt mit selbsterdachten Harmonien, die nicht immer wohltönender Art waren, aber insgesamt von ihrer Energie und ihrem gefestigten Willen kündeten.
Dennoch, wirklich wohl, physisch stark fühlte sich Lilith momentan nicht. Der jüngst ausgefochtene Kampf gegen die mörderischen Chimären im Taronga-Zoo hatte Kraft gekostet*, die Lilith zwischenzeitlich noch nicht wieder hatte regenerieren können, nicht ganz jedenfalls.
Und daß die Unkenntnis über die Ursache dieser Bedrohung sie unablässig zumindest unterbewußt beschäftigte, trug nicht eben dazu bei, Lilith zur nötigen Ruhe kommen zu lassen.
Entspannung nämlich wäre ein Weg gewesen, wieder zu erstarken.
Ein anderer war - Blut. Und dieser Weg war für Lilith der einfachere - und ein durchaus angenehmer .
Unruhig strich sie durch das Haus, ihr Haus, in dem sie einst geboren worden war und das ihr jetzt endlich zum Domizil, zur Heimat geworden war. Lilith lebte nicht nur in, sondern - vielleicht in stärkerem Maße noch - mit ihm. Denn es war mehr als eine architektonische Anordnung von Stein, Holz und anderem Material. Dieses Haus ... lebte. Auf ganz eigene, kaum beschreibbare und für jeden Normalsterblichen unvorstellbare Weise.
Lilith vermochte es durch unsichtbare Bande zu beeinflussen. Es lag in der Macht ihres Geistes, das Aussehen des Hauses nach ihrem Gusto zu gestalten, und welche Möglichkeiten diese Verbindung noch offenbaren würde, mußte die Zeit zeigen.
Im Gegenzug ließ Lilith jedoch nicht unbedacht, daß diese Einflußnahme auch in anderer Richtung funktionieren mochte. Solange sie nicht alle Geheimnisse des Hauses kannte, galt es, Vorsicht walten zu lassen, gewappnet zu sein: Denn das Haus mochte durchaus imstande sein, sich Lilith nutzbar zu machen - zu welchen Zwecken auch immer .
Sie trat an eines der Fenster im oberen Stockwerk. Damals, als Li-lith zum ersten Mal in diesem Haus erwacht war, waren die Fenster nur Attrappen gewesen. Jetzt allerdings fiel der Blick ungehindert nach draußen, in die wirkliche Welt.
Und Lilith sah, wonach ihr der Sinn stand.
Auf dem angrenzenden Grundstück wusch
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