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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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im Sand hinterließen. Sie strahlten eine pulsierende grünliche Lumineszenz aus. Und aus Myriaden finsterer Verstecke tauchten die offensichtlichen Könige des Riffs hervor: feistgeschwollene roten Tintenfischen ähnliche Geschöpfe mit plumpen sackartigen Leibern, die durch lange wirbelnde, sich windende Fangarme geschützt wurden ein pulsierendes, abschreckendes blau-weißes Licht ausstrahlten. In der Nacht wurde jede Korallenspitze zum Thron für einen dieser großen Oktopoden: Und da hockte das Tier, schimmerte gemütlich vor sich hin und überwachte sein Reich mit leuchtenden gelbgrünen Augen, die größer waren als eine Männerhand.
    Diese riesigen Augen schienen nur eines zu sagen:
    Wir sind hier die Herren, und ihr seid ganz und gar unwichtig. Kommt, schwimmt herab zu uns, damit wir euch einem nützlicheren Zweck zuführen. Und dann öffneten sich scharfe gelbe Schnabelmäuler einladend. Kommt doch herunter zu uns. Kommt! Kommt!
    Der Korallenbestand begann dünner zu werden, wurde immer sporadischer und hörte schließlich ganz auf. Der Meeresboden blieb flach und noch eine Weile länger sandig; dann, plötzlich, war der leuchtendweißen Sandboden zu Ende, und das türkisblaue Wasser, das so klar und heiter gewesen war, machte wieder dem undurchsichtigen dunklen Blau der tiefen See Platz, über die leichte kabbelige Wellen liefen.
    In Lawler machte sich das Gefühl breit, als ob diese Reise nie ein Ende nehmen werde. Inzwischen war das Schiff nicht nur zu seiner ‚Insel’, sondern zu seiner ganzen Welt geworden. Und er würde einfach hier an Bord weiter und immer so weiter arbeiten. Und die anderen Schiffe fuhren neben dem seinen her wie benachbarte Planeten im Nichts.
    Seltsamerweise empfand er dies als völlig richtig. Inzwischen hatte ihn der Rhythmus der Fahrt erfaßt. Er genoß das ständige Schaukeln des Schiffs, nahm die kleinen Entbehrungen auf sich und genoß sogar die gelegentlichen Heimsuchungen durch Ungeheuer. Er hatte sich eingerichtet, sich angepaßt. Aber - wurde er mürbe? Oder war er vielleicht zum Asketen geworden und brauchte eigentlich kaum etwas und kümmerte sich wenig um irdisches Wohlbehagen? So mochte es sein. Er nahm sich vor, Father Quillan bei nächster Gelegenheit dazu zu befragen.
    DANN HENDERS hatte sich den Unterarm an einer Gaffel aufgerissen, als er Kinverson half, einen zappelnden mannslangen Fisch an Bord zu hieven, und da Lawlers Vorrat an Bandagen danach aufgebraucht war, stieg er in den Frachtraum, um Nachschub zu holen. Er fühlte sich nun immer ein wenig unbehaglich, wenn er dort hinabstieg, seit jener Begegnung mit Kinverson und Sundira; er vermutete, die zwei schlichen sich auch weiterhin dort hinunter, und er wünschte ihnen nicht noch einmal zu begegnen.
    Doch Kinverson war gerade auf Deck und eifrig damit beschäftigt, seinen Fang auszunehmen. Lawler tastete im Dunkel mittschiffs eine Weile herum, und als er wieder nach oben steigen wollte, stieß er praktisch mit Sundira Thane zusammen, die in dem schmalen, schlecht beleuchteten Gang direkt auf ihn zukam.
    Sie schien ebenso erstaunt wie er, und ihre Verblüffung schien echt zu sein. »Val?« Ihre Augen weiteten sich und sie machte hastig einen ungeschickten Schritt nach rückwärts, ehe sie sich berührten.
    Und dann schwankte das Schiff heftig, und sie wurde wieder nach vorn geschleudert und ihm direkt in die Arme.
    Es war ganz bestimmt Zufall; nie würde sie zu einem derart plumpen Trick greifen. Lawler stemmte sich gegen die Packkisten, ließ seine geschichteten Bandagenstapel fallen und fing sie auf, als sie gegen ihn taumelte. Er hielt sie fest, bis sie wieder festen Stand hatte. Das Schiff setzte zur Gegenbewegung an, und er hielt Sundira weiter fest, damit sie nicht gegen die andere Wand geschleudert werde. Und dann standen sie beide da, Nase an Nase, Aug in Aug, und lachten.
    Und dann richtete das Schiff sich wieder auf, und Lawler merkte erst jetzt, daß er sie noch immer in den Armen hielt - und es genoß.
    Soweit war das also her mit seinem angeblichen Asketentum. Ach, zum Teufel. Ja, wirklich, zum Teufel damit! Seine Lippen näherten sich den ihren, oder vielleicht kamen auch ihre auf seinen Mund zu, er war danach nie so ganz sicher, wie es gekommen war. Aber es war ein langer, ein aktiver und durchaus interessanter Kuß. Und danach - obwohl das Schiff nun weit weniger schlingerte - hätte es eigentlich nichts gebracht, sie wieder loszulassen. Seine Hände allerdings gerieten in Bewegung, die

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