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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Sie tat Lawler leid, und ihre dulderische Hingabe machte ihn traurig.
    Delagard kam, noch immer blutend, hinzu, als Neyana und Gharkid sich anschickten, den Haufen Hexenfische über Bord zu schaufeln. »Halt! Wartet mal!« befahl er barsch: »Wir hatten seit Tagen keinen frischen Fisch mehr.«
    Gharkid starrte ihn völlig verdutzt an. »Du willst doch nicht Hexenfisch essen, Käptn-Sir?«
    »Wir können’s ja mal versuchen, oder?«
    Es stellte sich heraus, daß gebackener Hexenfisch ungefähr so schmeckte wie alte Stoffreste, die man ein paar Wochen lang in Urin mariniert hat. Lawler würgte drei Bissen hinunter, ehe er aufgab. Kinverson und Gharkid weigerten sich, das Zeug überhaupt nur zu probieren. Auch Dag Tharp, Henders und Pilya verzichteten auf ihre Portionen. Leo Martello bezwang mutig einen halben Fisch. Der Priester stocherte an dem seinen mit offenkundigem Widerwillen, aber frettchenhafter Verbissenheit herum, als hätte er seiner Heiligen Jungfrau das Gelübde abgelegt, alles brav zu essen, was man ihm vorsetzen würde, und sei es noch so eklig.
    Delagard dagegen fraß seine ganze Portion auf und verlangte nach mehr.
    »Sag bloß, du magst dieses Zeug?« fragte Lawler.
    »Der Mensch muß essen, oder? Ein Mann muß bei Kräften bleiben, Doc. Oder bist du anderer Meinung? Protein ist Protein. Oder, was sagst du, Doc? Da, iß doch auch noch was.«
    »Nein, danke«, knurrte Lawler. »Ich werd versuchen, ohne solches Zeug über die Runden zu kommen.«
    AN SUNDIRA FIEL ihm eine Verwandlung auf. Die Änderung der Ziel- und Zweckbestimmung ihrer Seefahrt schien sie von irgendeiner selbstauferlegten Zurückhaltung im Intimbereich befreit zu haben; ihr Liebesspiel war nicht länger gekennzeichnet von langen Perioden eines stachligen Schweigens zwischen Ausbrüchen von seichtem Geschwätz. Wenn sie nun in der dunklen, moderduftenden Ecke im Frachtdeck beisammen lagen die sie zu ihrem Lieblings-Liebesnest erkoren hatten öffnete sie sich ihm nun auch überraschend seelisch in heftigen autobiographischen Monologen.
    »Ich war schon als kleines Mädchen immer sehr neugierig. Viel zu neugierig, als gut für mich war, glaub ich. Andauernd watete ich in der Bucht herum, sammelte alles mögliche Zeug im Flachwasser, wurde gekniffen und gebissen. Als ich so an die vier war, hab ich mir einen kleinen Krebs da unten in mein Schlitzchen gesteckt.« Sie lachte, als Lawler entsetzt aufstöhnte »Ich weiß nicht mehr, ob ich herausfinden wollte, was mit der Krabbe passieren würde, oder was mit meiner Schlitzchen. Dem Tier machte es anscheinend wenig aus. Meinen Eltern schon.«
    Ihr Vater war der ‚Bürgermeister’ auf der Insel Khamsilaine gewesen, was anscheinend eine Art Regierungschef bei den Insulanern des Azurmeeres darstellte. Die Humankolonie auf Khamsilaine war recht groß, an die fünfhundert Personen. Für Lawlers Begriffe war das eine enorme Zahl und eine unvorstellbar komplexe Masse von Individualitäten. Über ihre Mutter äußerte Sundira sich nur vage: irgendwie war sie eine Gelehrte, vielleicht Historikerin, mit der Erforschung der Galaktischen Migrationsstadien der Humanspezies, doch sie war sehr früh gestorben, und Sundira konnte sich kaum noch an sie erinnern. Anscheinend aber hatte sie einiges vom suchenden Geist ihrer Mutter geerbt. Ganz besonders faszinierten sie die Kiemlinge, die Gillies - die Sassen, wie sie nie müde wurde, sie korrekt zu bezeichnen, obwohl Lawler diesen formellen Terminus etwas altmodisch und bombastisch fand. Mit vierzehn Jahren hatte sie mit einem älteren Jungen zusammen begonnen, die Gillies auf Khamsilaine bei ihren Geheimzeremonien zu belauschen. Sie hatten auch selbst ein bißchen sexuell herumexperimentiert, Sundiras erste Erfahrungen, wie sie beiläufig zu Lawler sagte, der zu seinem eigenen Erstaunen diesen Jungen bitterlich beneidete. Ein derart berückendes Geschöpf wie Sundira lieben zu dürfen, in so jungen Jahren? Was für ein himmlisches Privileg das gewesen wäre! Gewiß, auch in seinen Jungmännerjahren hatte es nicht an Mädchen gemangelt, eher im Gegenteil, wann immer er es irgendwie arrangieren konnte, sich von den Medizinstudien wegzustehlen, die ihn im Vaargh seines Vaters festhielten. Allerdings war es nicht gerade ihr suchender forschender Geist gewesen, der ihn zu diesen Mädchen hingezogen hatte. Er fragte sich flüchtig, wie wohl sein Leben verlaufen wäre, wenn es damals, in seiner Jugend, auf Sorve eine Sundira gegeben hätte. Wenn er sie geheiratet

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