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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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glaubst du, wird dann dort geschehen?«
    »Wundersames, Doc! Phantastische Wunder und nie gehörte Zauberdinge!« Martellos Augen leuchteten. »Ich kann’s kaum erwarten. Ich will darüber einen Canto dichten, auf den Homer selbst stolz hätte sein können. Homer!«
    »Ich bin sicher, du wirst das schaffen«, versicherte Lawler.
    Aus DER LEERE der See tauchten plötzlich wieder Hexenfische auf, zu Hunderten, zu Tausenden. Es bestand kein Grund, daß man hier mit ihnen hätte rechnen müssen; alles in allem wirkte das Meer hier sogar noch leerer als zu Beginn.
    Doch an diesem glühenden Mittag tat sich das Meer auf und belagerte das Schiff mit Schleimaalen. Sie hoben sich alle zugleich aus den Fluten und wirbelten in dicken Wolken über das Mittschiff. Lawler war an Deck. Er hörte ein Schwirren und duckte sich automatisch in den Schutz des Vormasts. Die Hexenfische waren einen halben Meter lang und so dick wie sein Arm, und sie flogen durch die Luft wie blitzschnelle tödliche Geschosse. Die eckigen ledrigen Schwingen waren weitgespreizt, die nadelscharfen Stachelreihen auf dem Rücken aufgerichtet.
    Manche überflogen das Deck in einem einzigen weiten Bogen und landeten klatschend auf der anderen Seite wieder im Wasser. Andere prallten gegen die Masten oder das Dach der Back, oder sie türmten sich in den schlaffen Segeln, oder aber ihre Flugkraft war einfach mitten auf Deck erschöpft und sie knallten mit wütenden Zuckungen auf die Planken. Lawler sah zwei von ihnen verbissen Seite an Seite dicht an sich vorbeifliegen: ein bösartiges Glitzern in den Augen. Danach kamen drei, die noch enger beisammen flogen, als wären sie durch ein Joch gehalten; und dann so viele, daß er nicht mehr zählen konnte. Er hatte keine Chance, bis zum Luk und in Sicherheit zu gelangen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu verstecken, sich zu ducken und zu warten.
    Er hörte einen Schrei von weiter hinten, und aus einer anderen Richtung kam ein verärgertes Grunzen. Er blickte auf und sah Pilya Braun droben in der Takelung hängen, wo sie sich mühsam festhielt; während sie versuchte, einen ganzen Schwarm abzuwehren. An einer Wange hatte sie einen blutenden Riß.
    Ein dicker Hexenfisch streifte Lawler am Arm, richtete jedoch keinen Schaden an, da die Stacheln zur anderen Seite gewandt waren. Und gerade als Delagard aus der Decksluke kam, streifte ihn ein weiterer an der Brust, wo im Hemd ein Riß entstand, der sich sogleich blutig färbte. Der Fisch fiel Delagard vor die Füße, der ihn in rasendem Zorn unter dem Stiefelabsatz zermalmte.
    Drei, vier Minuten lang war der Angriff wie ein Hagel von Wurfspeeren. Dann war alles vorbei. Die Luft war wieder still, die See ruhig und glatt, wie eine Fläche aus zerstoßenem Glas, die sich bis in die Unendlichkeit erstreckte.
    »Mistviecher«, sagte Delagard mit schwerer Zunge. »Die werd ich vernichten. Ausrotten werd ich die, jeden einzelnen verdammten Satanskerl von denen!«
    Wann? Wenn er das Feste Land über den Wassern in Besitz genommen und sich zum Allerhöchsten Herrscher über den ganzen Planeten aufgeschwungen hat?
    »Laß mich den Schnitt mal anschauen, Nid«, sagte Lawler zu ihm.
    Delagard schüttelte ihn ab. »Weiter nichts als ein Kratzer. Ich spür ihn schon nicht mehr.«
    »Schön, wie du willst.«
    Neyana Golghoz und Natim Gharkid kamen von drunten und begannen die toten und sterbenden Fische zu einem Haufen zusammenzukehren. Martello hatte eine üble Rißwunde am Arm und eine Reihe Hexenfischstacheln im Rücken stecken und kam zu Lawler, um sich verarzten zu lassen. Lawler befahl ihm, runter in die Sanitätsstation zu gehen und dort auf ihn zu warten. Pilya kam aus der Takelung und zeigte ihm gleichfalls ihre Verletzungen: ein blutender Schnitt quer über die Wange, ein weiterer direkt unter den Brüsten. »Dafür werden wir ein paar Nähte brauchen fürchte ich«, erklärte er ihr. »Tut es sehr weh?«
    »Es sticht ein bißchen. Es brennt. Es brennt ziemlich stark. Aber ich werd schon wieder.«
    Sie lächelte. Lawler erkannte, daß sie immer noch in ihn verliebt war, die Sehnsucht (oder was immer es war) nach ihm schimmerte noch immer in ihren Augen. Sie wußte wohl, daß er mit Sundira Thane schlief, doch dadurch schien sich für sie nichts geändert zu haben. Möglicherweise war es ihr ja nur recht, daß die Hexenfische sie so verletzt hatten, denn sie zog damit seine Aufmerksamkeit auf sich, und sie würde die Berührung seiner Hände auf ihrer Haut fühlen.

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