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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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asketischem Aussehen, mit beginnender Glatze, glattrasiert, und sein Alter konnte durchaus zwischen fünfundvierzig und sechzig liegen. Er war mager, als habe er seine ganze Fleischlichkeit aus sich herausgeschwitzt, sein Gesicht war ein längliches Oval, in dessen Mitte eine kräftige knochige Nase stand. Die tiefliegenden Augen waren von bleichblauer Kälte, und auch die Haut war sehr fahl, fast wie ausgebleicht; allerdings wirkte sich die stete, einzig aus Meeresprodukten zusammengesetzte Diät der Hydros-Bewohner allmählich aus und verlieh ihm mehr und mehr den seefarbenen dunklen Teint der Alt-Siedler: die Algen keimten sozusagen durch die Haut heraus.
    Lawler sagte: »Das Wasserreservoir ist extrem stabil. Glaub mir, Father. Ich lebe schon mein ganzes Leben lang hier, und nicht ein einzigesmal hat es einen Bruch gegeben. Wir könnten es uns nicht leisten, daß so was passiert.«
    Quillan lachte verlegen. »Darum ging es mir eigentlich gar nicht. Tatsächlich wollte ich nur seine Kraft umarmen.«
    »Verstehe.«
    »Ich wollte diese gesamte geballte Stärke fühlen. Erfahren, wie sich gewaltige Stärke unter Kontrolle anfühlt - diese Hektoliter Wasser, die einzig durch den entschlossenen menschlichen Willen gebändigt sind.«
    »Ja, und durch Massen von Seebambus und Reifen, Father. Und nicht zu vergessen, durch die Güte Gottes.«
    »Ja, das wohl auch«, sagte Quillan.
    Ziemlich seltsam, dieses Verhalten. Umarmt den Wassertank, weil er spüren will, wieviel Kraft da drinsteckt. Aber Father Quillan machte immer derart sonderbare Sachen. Der Mann schien von einer Art verzweifelten Hungers erfüllt: einem Verlangen nach Gnade und Erbarmen, nach der Preisgabe an ein Etwas, das größer war als er selber. Die Sehnsucht vielleicht gar, glauben zu können. Lawler berührte es als recht merkwürdig, daß ein Mann, der behauptete, ein Priester zu sein, dermaßen des göttlichen Geistes ermangelte.
    Er sagte: »Mein Ur-Urgroßvater hat die Zisterne konstruiert, weißt du? Harry Lawler, einer der Gründer der Kolonie. Wie mein Großvater immer zu sagen pflegte, gelang ihm alles gut, was er anpackte. Eine Appendektomie ebenso wie die Navigation eines Schiffes von einer Insel zur anderen, wie halt auch der Entwurf eines Wasserreservoirs.« Lawler machte eine Pause. »Er ist hierher deportiert worden wegen Mordes, der alte Harry. Wegen Totschlags, sollte ich wohl korrigieren.«
    »Das wußte ich nicht. Also hat deine Familie schon immer auf Sorve gelebt?«
    »Von Anfang an. Ich bin hier geboren. Genau gesagt, zirka hundertachtzig Meter von unserem jetzigen Standpunkt entfernt.« Lawler tätschelte zärtlich die Zisternenwand. »Der gute alte Harry. Ohne das da würden wir hier wirklich echte Probleme haben. Du merkst ja, wie trocken das Klima hier ist.«
    »Ja, ich merke es allmählich«, antwortete der Priester. »Regnet es denn hier nie?«
    »Ach doch, zu bestimmten Zeiten im Jahr schon. Aber jetzt ist eben nicht der rechte Zeitpunkt. Mit Regen darfst du für die nächsten neun, zehn Monate hier nicht rechnen. Deshalb haben wir uns ja so bemüht, unsere Zisternen so zu konstruieren, daß keine Leckagen auftreten.«
    Auf Sorve war Wasser eben knapp; jedenfalls das Wasser, das für die Bedürfnisse der Humanbevölkerung geeignet war. Fast das ganze Jahr hindurch schwamm die Insel durch Zonen ohne Regenfälle in der unerbittlichen Gezeitendrift. Aber die schwimmenden Inseln auf Hydros, die mehr oder weniger frei durch die Gewässer trieben, wurden nichtsdestoweniger manchmal jahrzehntelang in klar abgegrenzten planetograpischen Längenzonen durch starke Meeresströmungen von der Kraft gewaltiger Flüsse festgehalten. Jede Insel machte eine jährliche klarbestimmte Migration zwischen den Polen durch, hin und zurück; um die Pole kreisten Wirbelströmungen heftiger bewegten Wassers, von denen die herantreibenden Inseln erfaßt, gedreht und in gegenläufige Bewegung in Richtung auf das andere Ende des Planeten katapultiert wurden. Trotz dieser alljährlichen Nord-Süd-Wanderung durch sämtliche Breitenzonen blieb die ost-westliche Fluktuation wegen der übermächtigen Meeresströmungen minimal. So war etwa Sorve, soweit Lawler sich zurückzuerinnern vermochte, bei seiner unentwegten Weltwanderung zwischen Norden und Süden stets zwischen vierzig und sechzig Grad westlicher Breite geblieben. Dies schien in fast allen Breiten ein Trockengürtel zu sein. Regen kam nur unregelmäßig, außer wenn die Insel durch die polnahen Zonen

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