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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sturen Bauernklotz, für einen rücksichtslosen Ausbeuter, einen Kriminellen. Aber was weißt du denn schon? Du versteckst dich hier ganz allein, säufst dich um den Verstand und hockst dich hin und urteilst über andere Leute, die im kleinen Finger mehr Energie und Zielstrebigkeit verfügen als du in deinem ganzen...«
    »Hör auf mit dem Gesäusel, Delagard.«
    »Du hast gesagt, ich hab kein Gewissen.«
    »Und? Hast du eins?«
    »Also, das will ich dir aber doch mal sagen, Lawler: Ich komme mir vor wie die letzte Scheiße, weil ich so was über uns gebracht hab. Ich bin nämlich auch hier geboren, weißt du! Und du brauchst also keineswegs so hochnäsig deinen Rotz von wegen Erste, Alteingesessene Familie über mich zu schnauben. Nicht bei mir! Meine Familie war von Anfang an hier, genau wie deine. Wir - wir Delagards - haben die Insel praktisch gemacht! Und wenn ich jetzt eröffnet bekomme, daß ich wie ein Stück verfaulter Fisch weggeworfen werden soll, daß alle anderen auch wegmüssen...« Wieder veränderte sich seine Stimme. Der Zorn zerschmolz; er sprach auf einmal leiser, eindringlich, beinahe demütig. »Ich möchte nur, daß du weißt, daß ich die volle Verantwortung für meine Handlungen auf mich nehme. Und ich werde folgendes tun...«
    »Still!« Lawler unterbrach ihn mit erhobener Hand. »Hörst du den Lärm?«
    »Lärm? Was für Lärm? Wo?«
    Lawler wies mit dem Kopf zur Tür. Auf einmal drangen von dem langgestreckten dreieckigen Platz, der die zwei Vaargh-Siedlungen der Insel trennte, Rufe und lautes Geschrei.
    Delagard nickte. »Doch, ja, jetzt hör ich’s. Vielleicht ein Unfall?«
    Aber Lawler war bereits zur Tür hinaus und strebte in weiten eiligen Schritten dem Platz zu.
    AN DER ‚PLAZA’ standen drei wettergebeutelte Gebäude - eigentlich eher Schuppen, Nissenhütten, wackelige Unterschlupfe, an jeder Seite eines. Das größte ‚Gebäude’, zum Inselinnern gelegen, war die Schule. An dem nähergelegenen der zwei hangabwärts weisenden Dreiecksschenkel lag das kleine Cafe, das Lis Nikiaus betrieb, Delagards ‚Weib’. Gegenüber lag das Gemeindezentrum.
    Vor der Schule stand ein aufgeregt brabbelndes Häuflein Kinder. Die beiden Lehrer waren auch da. Vor dem Gemeindezentrum schwankte ein Halbdutzend der älteren männlichen und weiblichen Menscheninsulaner taumelnd, wie von einem Hitzschlag getroffen, wild im Kreis herum. Lis Nikiaus war vor ihr Cafe getreten und starrte mit weit offenem Mund ins Leere. Gegenüber befanden sich zwei von Delagards Bootskapitänen: der vierschrötige Klotz Gospo Struvin und der langbeinige schmale Bamber Cadrell. Sie standen oben an der Rampe, die vom Uferkai auf die Plaza führte, und sie klammerten sich ans Geländer wie Männer, die darauf warten, daß jede Sekunde eine Flutwelle über sie hinwegrasen wird. Dazwischen, und den Platz mit seiner Körpermasse teilend, stand der Koloß des Fischhändlers Brondo Katzin wie ein riesenhaftes betäubtes Tier und stierte auf seine nicht mehr bandagierte rechte Hand, als wäre ihm auf dieser soeben ein Auge gewachsen.
    Aber es gab nirgends Anzeichen für einen Unfall, nirgendwo einen Verletzten.
    »Was ist denn hier los?« fragte Lawler.
    Lis Nikiaus wandte sich auf eine merkwürdig schwerfällige Art ihm zu. Sie schwang mit dem ganzen Körper herum wie eine Statue. Eine große Frau, fest und massiv im Fleisch, ein gewaltiger gelber Haarwust, und die Haut so tiefgebräunt, daß sie beinahe schwarz wirkte. Delagard hatte seit dem Tod seiner Frau mit ihr zusammengelebt, seit fünf, sechs Jahren, sie aber nicht geheiratet. Vielleicht, um das Erbe für seine Söhne nicht zu gefährden, munkelten die Leute. Er hatte vier erwachsene Söhne, von denen jeder auf einer anderen Insel lebte.
    Heiser, fast wie erstickt, sagte Lis: »Bamber und Gospo sind grad von der Werft raufgekommen... und sie sagen, die Gillies sind hergekommen... sie haben gesagt... sie haben uns... sie haben Nid gesagt...«
    Ihre Stimme verlor sich in einem unzusammenhängenden Gestammle.
    Die verhutzelte, zwergenhafte Mendy Tanamind, Nimbers uralte Mutter, sagte piepsend: »Wir müssen fort! Wir müssen fort!« Und sie kicherte schrill.
    »Da ist gar nichts komisch dran«, sagte Sandor Thalheim. Der war ebenso uralt wie Mendy. Er schüttelte heftig den Kopf, so daß sein bartsprossiger Kehlwammensack wabbelte.
    »Und das alles wegen ein paar Viechern«, sagte Bamber Cadrell. »Wegen drei dummen toten Tauchern.«
    Also hatte sich die Neuigkeit bereits

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