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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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dann biete ich mich freiwillig für die Exilierung an. Bestraft nicht das ganze Volk, werde ich sagen. Nur mich. Ich bin der Schuldige. Ich will nach Velmise ziehen, oder nach Salimil, oder an jeden Ort, der euch genehm ist, und ihr werdet meine Visage auf Sorve niemals wieder zu Gesicht bekommen, das ist ein feierliches Gelöbnis... Lawler, es wird funktionieren. Die Gillies sind vernünftige Geschöpfe. Sie werden einsehen, daß es keinem vernünftigen Zweck dient, wenn sie eine alte Dame wie hier unsere Mendy von der Insel vertreiben, die achtzig Jahre lang ihre Heimat war. Ich bin der Schurke, der mörderische Taucherkiller-Schuft, und ich werde verschwinden, wenn es sein muß. Allerdings glaube ich kein bißchen daran, daß es soweit kommen wird.«
    »Du könntest damit durchkommen. Vielleicht aber auch nicht.«
    »Ich werd vor denen auf dem Bauch kriechen, wenn es sein muß!«
    »Und du wirst dann einen von deinen Söhnen aus Velmise hierher schicken, wenn sie dich verbannen, stimmt’s?«
    Delagard wirkte verdutzt. »Ja, aber was war da dran falsch?«
    »Sie könnten vielleicht auf den Gedanken kommen, daß es dir mit deinem Angebot zu emigrieren nicht so richtig ernst ist. Vielleicht denken sie, ein Delagard ist wie der andere.«
    »Du meinst, es könnte ihnen nicht genügen, wenn ich als Einziger fortgehe?«
    »Genau das hab ich grad gesagt. Sie erwarten von dir möglicherweise etwas mehr als nur das.«
    »Und was zum Beispiel?«
    »Was würdest du sagen, wenn sie dir eröffneten, ja, sie würden die restliche Humanbevölkerung Sorves begnadigen, vorausgesetzt du verpflichtest dich, daß weder du noch einer aus deiner Familie jemals wieder den Fuß nach Sorve setzt und daß die gesamten Werftanlagen der Delagards niedergerissen werden?«
    Delagards Augen begannen zu glitzern. »Nein. So was würden die doch nie verlangen!«
    »Sie haben es bereits gefordert. Und noch viel mehr.«
    »Aber... wenn ich fortgehe... ich meine, wirklich ehrlich weg... und wenn meine Söhne sich feierlich verpflichten, nie wieder einem Taucher irgendwie Schaden...«
    Lawler kehrte ihm den Rücken zu.
    Er selbst hatte den ersten Schock überwunden; der schlichte Satz Wir müssen Sorve verlassen war Teil seines Denkens, seiner Gefühle geworden, ja ihm bis in die Knochen bewußt geworden. Und er nahm das Ganze sehr gelassen hin, alles in allem gesehen. Er fragte sich, warum. Von einem Augenblick zum nächsten war ihm die Existenz auf diesem Eiland, die er sich sein ganzes Leben lang aufgebaut hatte, aus den Händen gerissen worden.
    Ihm fiel seine Reise nach Thibeire ein. Wie tiefbeunruhigend all diese unvertrauten Gesichter auf ihn dort gewirkt hatten, daß er von ihnen weder die Namen kannte noch etwas über ihre persönliche Lebensgeschichte wußte; wie das war, einen Weg entlanggehen und nicht wissen, wohin er führt. Und wie glücklich er gewesen war, nach ein paar Stunden wieder ‚daheim’ zu sein.
    Und nun würde er ganz in die Fremde ziehen müssen, würde dort für den Rest seines Lebens bleiben müssen, unter fremden Leuten leben müssen... Ihm würde jegliches Gefühl verlorengehen, daß er der Lawler von der Insel Sorve sei, und er würde ein Niemand werden, ein Irgendwer, ein Neu-Zugereister, ein Ausländer, ein Eindringling in einer fremden Gemeinschaft, in der er weder seinen Platz hatte noch eine Aufgabe... Das war eigentlich ziemlich schwer zu schlucken. Und trotzdem, er hatte sich nach diesem ersten Moment bestürzter Unsicherheit und Desorientierung irgendwie in einem Zustand dumpfer Hinnahme eingerichtet, als lasse ihn die Vertreibung ebenso unberührt, wie dies bei Gabe Kinverson der Fall zu sein schien, oder bei Gharkid, diesem verdrehten Einzelgänger. Seltsam. Aber vielleicht hab ich es nur noch nicht richtig begriffen, sagte Lawler sich.
    Sundira Thane trat zu ihm. Sie wirkte erregt, und auf ihrer Stirn lag eine dünne Schweißschicht. Die ganze Körperhaltung drückte irgendwie starke Anspannung und starke Selbstzufriedenheit aus.
    »Ich sagte dir doch, sie sind böse auf uns. Na? Na, und? Sieht doch so aus, wie wenn ich recht gehabt hätte.«
    »Das stimmt«, sagte Lawler.
    Sie blickte ihn prüfend an. »Also, wir werden wirklich hier fortmüssen. Ich zweifle daran nicht im mindesten.« Ihre Augen funkelten hell. Sie schien das alles unendlich zu genießen und wirkte fast wie betrunken davon. Es fiel Lawler ein, daß dies bereits die sechste Insel war, auf der sie mit ihren einunddreißig Jahren bisher

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